DVB-T in Theorie und Praxis Teil 2/2
Aus ELVjournal
01/2006
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Während
DVB-T-Empfang in den Zentren der Versorgungsgebiete oft schon mit einem
Stück „Klingeldraht“ möglich ist, benötigen Teilnehmer in größerem
Abstand zum Sender mindestens eine Zimmerantenne. Welche Eigenschaften
diese aufweisen muss, um in der beschriebenen komplexen
Empfangssituation ein für den Receiver verwertbares Signal zur Verfügung
zu stellen, beschreibt der vorliegende 2. Teil des Artikels.Theorie und Praxis
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Bild 13: Nur in den Kernzonen ist Empfang mit der Zimmerantenne möglich |
Am
Beispiel der am 4.10.2004 in Betrieb gegangenen DVB-T-Region Frankfurt/
Wiesbaden/Mainz (Abbildung 13) wird ein Problem klar: Nur in eng
begrenzten, in der Karte gelb eingefärbten Kerngebieten ist der
Indoor-Empfang (also ohne Außenantenne) möglich. In den grün gefärbten
Flächen sollte DVB-T-Empfang mit einer Dachantenne möglich sein, da
rüber hinaus wohl nur bei einer äußerst günstigen topologischen
Situation des Empfangsortes. Aber selbst in den Kernzonen kann nicht mit
völliger Gewissheit von zuverlässigem Empfang mit der Zimmerantenne
ausgegangen werden. Zu groß sind die lokalen Eigenheiten des Umfelds. Am
meisten zu schaffen machen Abschattungen durch ausgedehnte, massive
Bauten und Bodenerhebungen. Auch innerhalb eines Gebäudes kann es zu
„Geht – geht nicht“-Situationen kommen. Während die Bewohner, deren
Wohnungen in Richtung des Senders liegen, problemlos mit einer
Zimmerantenne die digitale Programmvielfalt empfangen, ist dies in den
abgewandten Wohnungen nur an bestimmten Stellen oder überhaupt nicht
möglich.
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Bild 14: Feldstärkemessungen in einem Zimmer offenbaren beträcht liche Schwankungen. |
Das
Gleiche kann für die Wohnungen in höheren und tieferen Geschossen
gelten. Der Grund liegt dann in einem hohen Schirmungsmaß der Wände,
insbesondere bei stark eisenbewehrtem Beton, der über 20 dB Dämpfung
verursachen kann. Deshalb wird stets an Fenstern und Mauerdurchbrüchen
eine Empfangsverbesserung beobachtet (Abbildung 14).
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Bild 15: Feldstärkeschwankungen |
Dazu
kommen tageszeitliche Schwankungen der Empfangsfeldstärke (Abbildung
15) und nicht zuletzt starke lokale Feldstärkeeinbrüche im Raum durch
umhergehende Personen (Quelle: www.ero.dk/06F5C507-565A-49CA-
9302-5401903554E8). Zwar gibt es ausgefeilte Rechenmodelle für die
Feldstärkeverteilung in Gebieten unterschiedlicher Prägung (City,
Vorort, Land), z. B. von Okumura (1968), durch Hata vereinfacht (1980)
und dadurch aber auf einen Aussageradius von ca. 20 km eingegrenzt. Aber
letztlich versagen diese Modelle im Kleinen, weil sie durch
Berücksichtigung der Feintopologie zu komplex würden. Merke also: Beim
DVB-T-Indoor- Empfang gilt die alte Weisheit: „Probieren geht über
Studieren!“
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Bild 16: Ausgefeilte Empfangsprognosen können den Einzelfall vor Ort nicht erfassen |
Die
Prognose für den DVB-T-Empfang in der Kieler Gegend beruht auch auf
Modellrechnungen (Abbildung 16). Man erkennt deutlich, dass über der
offenen See die Feldstärke rein von der Entfernung zum Sender abhängt.
Im gelben Bereich wird die Empfangbarkeit mit einer Zimmerantenne
vorhergesagt, im roten Bereich wird schon eine Außenantenne benötigt,
und im grünen Bereich geht nichts ohne eine Dachantenne mit
Richtwirkung.
Zimmerantennen
Wer
aus analogen Zeiten noch eine alte Zimmerantenne auf dem Dachboden hat,
kann diese oft erfolgreich für den DVB-TIndoor- Empfang reaktivieren.
Sie ist zwar nicht spezialisiert auf die neue Aufgabe, hat abschreckende
Dimensionen und ist meist auch keine Schönheit – aber besser als ein
Stück Draht in der Antennenbuchse ist sie allemal. Deshalb hat sich die
Antennenindustrie mit modernen Konstruktionsmethoden des Themas
Indoor-Empfang unter dem Vorzeichen DVB-T angenommen. Weil ein
DVB-T-Empfänger vom Nutzsignal und seinen häufig vielfältigen Echos
profitiert, benötigt eine DVB-Antenne keine Richtwirkung. Zur Erzielung
eines optimalen Empfangs sollte sie allerdings zur Anpassung an die
örtlich überwiegend vorherrschenden Polarisationsverhältnisse schwenk
bar sein. Damit Einstrahlungen durch das Handy folgenlos bleiben, ist
ein GSM-Filter wünschenswert. Außerdem drängt die Hausfrau als
„natürlicher Feind der Zimmerantenne“ auf kleine Abmessungen und ein
hübsches, unauffälliges Design. Damit eine solche Antenne aber in allen
DVB-T-Regionen zum Einsatz kommen kann, muss sie – entsprechend der
bundesweiten Kanalnutzung – breitbandig vom VHF- bis zum UHF-Bereich
sein. Für die Entwickler gilt es also, eine Vielzahl von Forderungen
unter einen Hut zu bringen!
Antenne mit Verstärker = aktive Antenne ?
An
dieser Stelle soll eine begriffliche Unschärfe ausgeräumt werden, die
von vielen Anbietern bewusst werblich eingesetzt wird. Eine klassische
Zimmerantenne besteht aus einer passiven Empfangsanordnung mit
75-Ohm-Ausgang. Wenn da ran ein Verstärker angeschlossen wird, haben wir
es mit einer „passiven Antenne mit Verstärker“ zu tun.
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Bild 17: Bei aktiven Antennen bilden Strahler und aktive Beschaltung eine Einheit |
Das
Kennzeichen einer aktiven Antenne liegt dagegen darin, dass die
Empfangselemente ohne Impedanztransformation einen entsprechend
angepassten Verstärker speisen. Der Verstärker ist also integraler
Bestandteil der Antenne, die ohne ihn nicht nutzbar wäre. Die
Blockschaltbilder in Abbildung 17 illustrieren dies. Ein derart
verstandener aktiver Ansatz dient auch der mechanischen Verkürzung der
Antennenstrukturen, eine Voraus setzung für akzeptable Dimensionen bei
guten Leistungen.
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Bild 18: Unter einem ansprechenden Design versteckt sich anspruchsvolles Engineering |
Ein typisches Beispiel einer solchen aktiven Antenne ist die BZD 30 von Kathrein (Abbildung 18).
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Bild 19: Strahler und Halbleiterbeschaltung verschmelzen auf einer gemeinsamen Platine |
Sie
braucht in Bezug auf Empfangsqualität – ausgedrückt durch optimiertes
Rauschverhalten (Rauschanpassung), Breitbandigkeit und Störfestigkeit –
den Vergleich mit einem herkömmlichen Entwurf nicht zu scheuen. Der
Kunde merkt von den technischen Finessen nichts (Abbildung 19).
Qualitätskriterien von DVB-T-Indoor-Antennen
Zimmerantennen
für den DVB-T-Empfang gibt es mittlerweile in großer Zahl. Die
grundsätzliche Unterscheidung in passive, passive mit Verstärker und
aktive Varianten teilt das Angebot grob. Weiter wird in Stabund
Dipolantennen unterschieden. In der Praxis sind auch Mischformen
anzutreffen, die weder klar der einen noch der anderen Kategorie
zuzuordnen sind. Als potentieller Käufer kann man sich von der
Leistungsfähigkeit eines Antennenangebots nur in den seltensten Fällen
einen Eindruck verschaffen. Kaum ein Anbieter gibt brauchbare technische
Daten seines Produkts heraus. Die Beschreibung der
Empfangseigenschaften nur durch den Gewinn erscheint insbesondere bei
aktiven Antennen zweifelhaft. Das wird verständlich, wenn man sich vor
Augen führt, dass letztlich nur die Güte des Empfangssystems (ähnlich
wie bei Satellitenantennen) ein umfassendes Qualitätskriterium
darstellt.
Aus
der Definition der Güte in vorstehender Gleichung werden die
bestimmenden Größen unmittelbar ersichtlich. Zum einen wird die Güte vom
Gewinn g des passiven Empfangselements bezogen auf den fiktiven
isotropen Strahler bestimmt. Er ist durch die Abmessungen und die
gewünschte Rundstrahlcharakteristik der Antenne weitgehend physikalisch
vorgegeben. Vom Strahlergewinn wird ein Term abgezogen, der die
Rauschzahl (noise figure) des gesamten auf den Strahler folgenden
Systems summarisch repräsentiert. Dabei spielt die Rauschtemperatur des
Verstärkers, der mit dem Strahler zu einem aktiven System vereinigt
wurde, die ausschlaggebende Rolle. Sie ist zudem vom Konstrukteur
nachhaltig beeinflussbar. Wenn man sich nun noch vor Augen hält, dass
die Halbierung der Rauschzahl in etwa 25 % mehr Empfangsreichweite zur
Folge hat, wird plausibel, dass die Güte ein brauchbares
Leistungskriterium für eine DVB-Indoor- Antenne darstellt. Es wäre
wünschenswert, wenn die Antennenanbieter es einheitlich als
Orientierungsmöglichkeit des Käufers angeben würden. In der
Arbeitsgemeinschaft DVB-T der TV-Plattform wird an einer
allgemeingültigen Formulierung gearbeitet, die von den Mitgliedern des
Fachverbands 29 des ZVEI „Satellit und Kabel“ (ehemals „Empfangsantennen
und Breitbandverteiltechnik“) und auf europäischer Ebene der EICTA
(European Information and Communication Technology Association)
übernommen werden soll. Neben der Systemrauschzahl sind weitere Faktoren
für den Empfangserfolg bestimmend:
Breitbandigkeit
Eine
DVB-T-Antenne muss den VHFund den UHF-Bereich abdecken. Bei kleinen
Strahlerstrukturen wird dies besonders für den VHF-Bereich schwierig,
weshalb manche Hersteller ihre Antennen die VHF-Signale über den Mantel
des Empfänger- Anschlusskabels aufnehmen lassen. Stabstrahler haben
bezüglich der Breitbandigkeit prinzipiell stärkere Probleme.
Welligkeit des Frequenzgangs
Sie
sollte innerhalb eines Kanals unter 4 dB liegen. Antennen mit
selektiven Gewinneinbrüchen können diese Forderung jedoch verletzen und
für bestimmte Kanäle praktisch nicht nutzbar sein.
Ausgangspegel
Er
sollte entsprechend den Spezifikationen für das Eingangssignal eines
DVB-T-Receivers zwischen 45 und 85 dBμV liegen. Diese Werte basieren auf
Netzplanungsdaten nach ETSI TR 101 190 (V1.1.1) und stellen ein
ausreichend hohes Signal-Rausch-Verhältnis (C/N) des empfangenen
DVB-T-Signals für gängige Modula tionsparameter sicher.
Polarisationsverhalten
DVB-T
wird in den verschiedenen Sendegebieten in Deutschland mit horizontaler
oder vertikaler Polarisation ausgestrahlt. Aus ausbreitungstechnischen
Gründen ist die vertikale Polarisation vorteilhafter. Die Indoor-Antenne
sollte sich also so drehen lassen, dass sie für eine bestimmte
Vorzugspolarisation ein optimales Ergebnis liefert. In der Praxis ist
allerdings oft durch vielfältigste Refle xionen eine derart komplexe
Polarisationssituation gegeben, dass die diesbezüglichen Eigenschaften
der Antenne zweitrangig sind.
GSM-Filter
Wird
in der Nähe der DVB-T-Antenne ein Mobiltelefon (Handy) betrieben, das
wegen eines großen Abstandes zur nächsten Zellularstation mit hoher
Sendeleistung arbeitet, treten in den oberen UHF-Kanälen möglicherweise
Empfangsstörungen auf. Hier kann ein GSM-Filter Abhilfe schaffen. Es
muss allerdings qualitativ hochwertig sein, d. h. niedrige Dämpfung im
Durchlassbereich, hohe Dämpfung im Sperrbereich, einen steilen
Übergangsbereich und niedrige Gruppenlaufzeitverzerrungen aufweisen.
Idealerweise sollte das Filter vor dem aktiven Teil der Antenne liegen,
damit in diesem erst gar keine Intermodulationsstörungen in den aktiven
Elementen der Antenne durch das Handy erzeugt werden. Allerdings
verschlechtert sich das Rauschverhalten dann durch die dem Verstärker
vorgelagerte Zusatzdämpfung etwas. In der Praxis strahlt ein extrem
nahes und leistungsstarkes Handy derart kräftig in die gesamte
Antennenstruktur ein, dass die Lage des Filters kaum eine Rolle mehr
spielt.
Wie soll man die Auswahl treffen?
Tests,
wie sie in der Fachpresse zu lesen waren, beurteilen eine DVB-T-Indoor-
Antenne oft so, als sei es eine Antenne für analogen PAL-Empfang. Damit
wird man aber den spezifischen digitalen Anforderungen nicht (voll)
gerecht. Dementsprechend sind die Testergebnisse mit Vorsicht zu
genießen. Die Nagelprobe für jede Antenne ist sicherlich das digitale
Signalqualitätskriterium Bitfehlerrate (BER: Bit Error Rate). Je kleiner
die BER ist (<10-4), umso besser das Signal. Wenn man nicht gerade
in der Kernzone eines DVB-T-Verbreitungsgebiets wohnt (wo ein Stück
Klingeldraht als Antenne ausreicht), ist eine Indoor-Antenne für
stabilen Empfang notwendig.
Literatur
1. Stott, J. H.: „The How and Why of COFDM“, BBC Research and Development, 1998
2. Schwatlo, C.: Skript zum Praktikum „Multiträgerverfahren“, FH Kiel
3. Projektbüro DVB-T Bayern: „Informationen für Kabelnetzbetreiber, Fachhandwerk und Wohnungswirtschaft“, Stand April 2005
4. Rudolph, D.: „Vielträgermodulation“, TFH Berlin, 2003 http://www.tfh-berlin.de/~rudolph/funksysteme/skripte/DiFuSy/DiFu-Sy_OFDM_WS0405.pdf
5. Forschungsverbund Medientechnik Südwest: „Vergleichende Beurteilung der Versorgungskriterien für DAB und DVB-T“
6. PowerPoint-Vortrag: „DVB-T Indoor Reception, Validation of Coverage“, www.ero.dk/06F5C507-565A-49CA-9302-5401903554E8, Divitron Inc., Finnland
7.
Schlegel, P., Kuhn, T.: Skript für Nachrichtentechnisches Praktikum
„Messungen in digitalen Übertragungs - systemen am Beispiel DVB-T“,
Institut für Nachrichtentechnik an der Universität Braunschweig
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