Verstärkertechnik in der Audiowelt Teil 3/5: Leckerbissen der modernen Schaltungstechnik von Audio-Endstufen

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Aus ELVjournal 02/2006     0 Kommentare
 Verstärkertechnik in der Audiowelt Teil 3/5: Leckerbissen der modernen Schaltungstechnik von Audio-Endstufen

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Im letzten Artikel haben wir Ihnen die Standards der klassischen Schaltungstechnik von Audio-Endstufen vorgestellt. Diese Entwicklungen begannen Ende der 60er Jahre und liefen bis Mitte der 70er Jahre. Die Phase des „Ausreizens“ begann dann zum Ende der 70er Jahre. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen sowohl die Weiterentwicklung der klassischen Schaltungen als auch einige bahnbrechende, neue Schaltungen der Hi-Fi-Welt.

Die moderne Schaltung mit Differenzverstärker

Bild 1: Die moderne Schaltung mit Differenzverstärker
Bild 1: Die moderne Schaltung mit Differenzverstärker
Die universelle Spannungsverstärker stufe von Nelson Pass (Abbildung 1) zeigt eine relativ weit ausgereizte Variante der modernen Vorstufenschaltungstechnik, die er in seinen Threshold-Endstufen eingesetzt hat. Der Differenzverstärker, hier ein mono kristalliner, selektierter Doppel-JFET (Q 1, Q 2) ohne lokale Source-Gegenkopplung arbeitet als Kaskodenschaltung mit Q 3 und Q 4. Die Kaskode verhilft dem JFET zu einem sehr harmonischen Klirrverhalten und macht ihn durch die Eliminierung des Millereffekts sehr schnell. Mit harmonischem Klirrverhalten ist ein gleichmäßiger Pegelabfall der Klirrkomponenten hin zu hochwertigen Klirrkomponenten (k2, k3...kn) zu verstehen. Der Arbeitspunkt muss beim JFET genau eingestellt werden, weil seine Steilheit über dem Drain-Source-Strom variiert. Der Ruhestrom durch den Differenzverstärker wird deshalb über die temperaturkompensierte Stromquelle Q 11 eingestellt. Q 12 dient als Fühlerdiode der Temperaturkompensation. Die Signalauskopplung passiert über den Stromspiegel Q 5, Q 6 und ist somit ebenfalls temperaturkompensiert. Die Spannungsverstärkerstufe ist hier ebenfalls als Kaskodenschaltung Q 6, Q 7 ausgeführt, um den Millereffekt auszuschalten und den Klirrfaktor zu senken. Die Geschwindigkeit der Spannungsverstärkerstufe ist sehr hoch, weil die Verlustleistung in Q 7 verheizt wird und für Q 6, wegen der geringen Kollektor- Emitter-Spannung, ein schneller Kleinsignaltransistor verwendet wird. Die Spannungsverstärkerstufe arbeitet auch hier mit einer temperaturkompensierten Stromquelle Q 13, Q 14. Über D 3, D 1, Q 9, Q 10 wird die Kaskode der Ausgangsstufe präzise eingestellt. Mit dem Kollektor von Q 10 kann das Ausgangssignal der Spannungsverstärkerstufe im Fehlerfall, z. B. bei Übertemperatur, abgeschaltet werden. Q 8 dient als variable Z-Diode zur Regelung des Ruhestroms der Ausgangstransistoren. Q 8 dient hier aber nicht auch als Temperaturfühler für die Leistungstransistoren, nein, die Stromverhältnisse werden über Pin 5 am rechten Terminal von den Emitterwiderständen abge griffen. Q 15, Q 16 sind die ersten Transistoren der Leistungsstufe. Wir sehen hier eine Schaltung, die auf der klassischen Schaltung mit dem einfachen Differenzverstärker basiert und mit vielen Features optimiert wurde: Linearisierung und Beschleunigung durch Kaskoden, temperaturkompensierte Arbeitspunkte, die Koppelung der Spannungsverstärkerstufe mit dem Differenzverstärker über einen Stromspiegel und die Ausführung des Differenzverstärkers mit einem selektierten Doppel-JFET. Dies alles sind Maßnahmen, die die Audio-Performance massiv steigern. Diese Schaltungstechniken sind natürlich auch für die Schaltung mit doppel tem Differenzverstärker anwendbar. Die genaue Beschreibung der einzelnen Maßnahmen und die weiteren Möglichkeiten der Schaltungsoptimierung würden ein kleines Buch füllen. Die meisten wurden von Dr. M. J. Hawksford in seinen umfangreichen Publikationen beschrieben.

Die Stromentlastung in der Ausgangsstufe

Wir haben im letzten Artikel die klassische komplementäre und die quasikomplementäre Endstufe kennen gelernt. Diese Varianten einer Leistungsendstufe funktionieren mit einem Ausgangstransistor auf jeder Spannungsseite sehr gut. Möchte man aber eine Endstufe mit sehr hoher Leistung und höchstem Klangniveau bauen, dann wird’s etwas schwieriger. Leistungstransistoren unterliegen Fertigungstoleranzen, die sich im Übertragungsverhalten und in der Ansteuerung bemerkbar machen. Hauptsächlich machen dabei unterschiedliche Basis-Emitter-Spannungen und das unterschiedliche Stromverstärkungsverhalten der Transistoren Probleme. Rein schaltungstechnisch betrachtet, lässt sich dieses Problem mit Emitter- und Basiswiderständen sowie einer kräftigen Treiberstufe in den Griff bekommen. Klanglich ist das Parallelschalten von vielen Leistungstransistoren aber problematisch. Man muss sie genau ausmessen, sonst ist das Klangbild „undurchsichtig“. Die folgende Schaltung löst das Problem sehr elegant.

Die Threshold-Ausgangsstufe

Bild 2: Die Threshold- Ausgangsstufe
Bild 2: Die Threshold- Ausgangsstufe
In der Variante der Threshold-Ausgangsstufe (Abbildung 2) arbeiten Q 1 und Q 2 mit einem hohen Ruhestrom in Class-ASchaltung. Beim Übergang in den Class- AB-Betrieb erhöht sich die Spannung der Kollektorwiderstände R 1, 4, 5, 6, und die Transistorarmada Q 3...Q 32 unterstützt und entlastet die Class-A-Treiberstufe. Noch besser ist das Übertragungsverhalten, wenn man im Ruhezustand durch Q 1 und Q 2 den maximal notwendigen Steuerstrom fließen lässt und Q 3...Q 32 so aufsteuert, dass nur ein geringer Ruhestrom durch Q 3...Q 32 fließt. Es gibt dann keinen Übergangsbereich vom Class-A-Bereich der Treiberstufe Q 1, Q 2 in den Class- AB-Bereich. Die Verzerrungen sind dann sehr gering. Bei der so genannten Stromentlastungsschaltung wird das Ausgangssignal ausschließlich von den Treibertransistoren Q 1, Q 2 generiert. Die restlichen Transistoren kommen erst zum Einsatz, wenn der Lautsprecher Strom fordert. Die Ausgangsstufe kann bei richtiger Dimensionierung wegen der niedrigen Verzerrungen und der hohen Strombelastbarkeit (geringer dynamischer Innenwiderstand) ohne Gegenkopplung betrieben werden. In der erstgenannten Betriebsart sind die Stromquellentransistoren Q 3...Q 32 im Ruhezustand gesperrt und können so keine thermischen Probleme machen. Die Verzerrungen sind durch das Zuschalten von Q 3...Q 32 höher. Für einen Verstärker ohne Gegenkopplung sollte die zweite Variante mit Ruhestrom durch die Stromentlastungstransistoren gewählt werden. Die Temperaturkompensation der vielen Stromentlastungstransistoren ist aber mechanisch etwas komplizierter.

Der „Ochse“

Bild 3: Prinzipschaltung aller Ochsen
Bild 3: Prinzipschaltung aller Ochsen
Anfang der 90er brachte Nelson Pass eine bemerkenswerte Class-A-Endstufe auf den Markt, von der bis heute viele verschiedene Versionen gebaut wurden Nelson Pass bemerkte, dass eine Endstufe um so besser klingt, je einfacher sie gebaut ist. Wenn man dazu auch noch MOSFETs in Class-A-Schaltung verwendet, ist die Sache perfekt. Die einfachste und raffinierteste Endstufe möchten wir Ihnen hier vorstellen (Abbildung 3). Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor? Genau, es ist ein Differenzverstärker mit MOSFETs und eine Spannungsverstärkerstufe mit Stromquelle. Und wenn wir durch die Spannungsverstärkerstufe einen großen Ruhestrom schicken, wird das Gerät nicht nur schön warm, sondern ist auch in der Lage, einen Lautsprecher zu treiben. Und wenn wir die richtige Stromquelle verwenden, kann das Gerät auch richtig Strom liefern – und zwar aus beiden Potentialen!

Die Gesamtschaltung des ALEPH 30

Bild 4: Die Gesamtschaltung des ALEPH 30
Bild 4: Die Gesamtschaltung des ALEPH 30
Die Schaltung mit der patentierten ALEPH-Stromquelle (Abbildung 4) ist in der Lage, über den Class-A-Betrieb hinaus hohe Ströme zu liefern und den Lautsprecher gut zu bedämpfen. Die Schaltung arbeitet aber trotzdem im Single-ended-Class-ABetrieb, eigentlich einem sehr ineffizienten Betrieb, hier aber mit der Wirkungsgradtendenz zu einer Class-A-Gegentaktendstufe. Wie funktioniert’s? Q 1 und Q 2 bilden zusammen mit der Stromquelle Q 3 den Differenzverstärker, der hier mit einem symmetrischen Eingangssignal gespeist wird. Z 1...Z 4 sind Schutzelemente gegen zu hohe Gate- Source-Spannungen. Q 4 bildet zusammen mit Q 9...Q 11 das Stellglied des Span nungsverstärkers und gleichzeitig der Ausgangsstufe. Q 5 bildet zusammen mit Q 6...Q 8 die Stromquelle, die gleichzeitig auch als Stellglied fungiert und zusammen mit dem Stellglied Q 4 + Q 9...Q 11 als eine Art Symbiose aus Single-ended-Class-ASchaltung und quasikomplementärer Ausgangsstufe arbeitet. R 22 ... R 27 begrenzen die minimale Lastimpedanz am Ausgang und erhöhen die Stabilität des Verstärkers. Klanglich zeigen sich die Ochsen präzise, röhrenähnlich warm und sehr luftig.

Eine Brücke

Bild 5: Rekonstruktion einer Pass-X100-Endstufe als PSpice-Simulation
Bild 5: Rekonstruktion einer Pass-X100-Endstufe als PSpice-Simulation
Die Schaltung in Abbildung 5 zeigt einen modernen Pass-MOSFET-Verstärker in Brückenschaltung mit einem Differenzverstärker mit gefalteter Kaskode. Was ist denn das schon wieder? Nun bei einer Kaskode wird der Kollektor des verstärkenden Transistors spannungsmäßig „beruhigt“, d. h. mit einem in Basisschaltung arbeitenden Transistor auf ein Gleichspannungspotential gelegt. Der verstärkte Spannungshub wird am Kollektor des in Basisschaltung arbeitenden Transistors abgegriffen. Bei der klassischen „Teleskop-Kaskodenschaltung“ geschieht das in Serie zur Betriebsspannung wie in Abbildung 1 (Q 3, Q 4, Q 7). Die gefaltete Kaskode legt ebenfalls den Kollektor des verstärkenden Transistors (s. Abbildung 5) Q 1, Q 20 auf ein Gleichspannungspotential, leitet aber einen Teil des Stromes der positiven Stromquelle Is 1, Is 4 nach Minus auf eine 2. Stromquelle Is 3 und Is 6 ab und bildet so je eine Spannungsverstärkerstufe. Der Vorteil dieser Schaltung ist ein einziger Pol, d. h. diese eigentlich zweistufige Schaltung verhält sich wie eine einzelne Verstärkerstufe, besitzt eine hohe Verstärkung und ist gegengekoppelt sehr stabil. Problematisch ist die exakte Stromverteilung durch die Stromquellen. Diese Schaltung ist nicht einfach zu bauen! Diese Differenzverstärkerstufe ist für Audioverstärker patentrechtlich geschützt! Als Ausgangsstufe dienen parallel geschaltete, ausgemessene MOSFETs. Diese Schaltung wird mit einem hohen Ruhestrom betrieben, zum einen, damit ein großer Bereich der Musiksignale in Class-A-Bereich verarbeitet werden kann (Klang), und zum anderen, weil die MOSFETs bei einem höheren Ruhestrom nur wenig Tempera turgang haben. Wie wir sehen können, wurde hier auf die „Über-alles-Gegenkopplung“ verzichtet. Die Gegenkopplung über R 38 und R 40 dient nur zur Verstärkungseinstellung der Vorstufe. Endstufen dieser Bauart klirren im unteren Leistungsbereich recht wenig (unter 0,1 %). Im oberen Leistungsbereich steigt der Klirrfaktor gleichmäßig auf Werte bis 5 %. Das stört aber nicht, da die Endstufen dieser Bauart hohe Spitzenleistungen abgeben können und in diesem Leistungsbereich sowieso nur Spitzen verarbeitet werden. Klanglich gehören diese Endstufen zum Besten, was der Markt bietet, und verwöhnen mit einem warmen und sehr sauberen Klangbild.

Die QUAD-Endstufe

Bild 6: Die Gesamtschaltung der QUAD 306
Bild 6: Die Gesamtschaltung der QUAD 306
Eine hochinteressante, in den 80ern entwickelte Schaltung (Abbildung 6) hat die legendäre Firma QUAD unter dem Aspekt der Verwendung von handelsüblichen Komponenten und maximaler Klangqualität und Stabilität entwickelt. Die von QUAD bereits in der 405 verwendete, patentierte „Current- Dumping-Technik“ beruht auf dem Zusammenspiel eines leistungsschwachen, klirrarmen Class-A-Verstärkers mit einem leistungsstarken, klirrenden Class-B-Verstärker. Zusammen mit einer komplizierten, sehr niederohmigen und straffen Gegenkopplung ergibt sich ein hochmusikalischer und extrem stabiler Verstärker, der sich durch keine noch so kritische Belastung aus der Ruhe bringen lässt. Alle Transistorstufen arbeiten im Eintaktbetrieb und müssen deshalb nicht selektiert werden. Toleranzen werden durch Stromquellensteuerung und durch einen Gleichspannungsservo ausgeregelt. Ein Abgleich der Schaltung ist nicht notwendig! Wie funktioniert’s? T1 ist Eingangsbuffer und Stellglied für den Gleichspannungsservo IC 1. Zusammen mit der Stromregeldiode CR 2 wird der Arbeitspunkt der ersten Verstärkerstufe eingestellt. Die erste Verstärkerstufe T 2, T 3 arbeitet als Eintaktkaskode mit einer Stromquelle als Last CR 1. Durch die Stromquelle hat diese Stufe eine sehr hohe Verstärkung (hoher dynamischer Innenwiderstand der Stromquelle). T 5...T 7 bilden den Class-A-Verstärker mit einem Ruhestrom von 50 mA. C 7 bildet mit R 17 und R 18 die Bootstrap-Stromquelle. Über die Stromfühlwiderstände R 24 und R 25 wird das Class-A-Signal auf den Lautsprecher gekoppelt. Der Spannungsfall an R 24 und R 25 löst das Leiten der Leistungstransistoren T 9 und T 10 aus, die über die Dioden D 5...D 7 so vorgespannt werden, dass sie im Ruhezustand noch nicht leiten. Die Ansteuerung der Leistungstransistoren muss deshalb nicht temperaturkompensiert werden. T 4 begrenzt zusammen mit R 23 den Strom der positiven Halbwelle, D 8 mit R 19 den Strom der negativen. Das Massepotential wird mit T 11 und T 12 in der Mitte der Sieb-Koppel- Elkos gehalten. Interessant ist hier wieder das Fehlen des Mittelabgriffs am Netztransformator. Die Elkos dienen hier wie bei der Beschallungsendstufe von QSC als Sieb- und als Koppel-Elkos und bieten automatisch einen Lautsprecherschutz gegen Gleichspannung. Hochwertige High Current Low-ESR-Elkos sind hier zwingend notwendig, sonst leidet die Audio qualität. Diese Endstufentechnik ist ähnlich stabil wie die Threshold-Endstufe und auch eine Art Stromentlastungsschaltung. Allerdings ist bei der QUAD-Endstufe eine straffe Gegenkopplung notwendig, weil das Zuschalten der Leistungstransistoren Verzerrungen erzeugt. Klanglich zeigt sich die QUAD kraftvoll, präzise und „englisch warm“. Wir könnten jetzt ewig so weitermachen und eine Schaltung nach der anderen vorstellen. Es gibt noch hochinteressante Schaltungen von Marantz, Bryston, Rowland usw. Leider sprengt das wieder den Rahmen unserer Möglichkeiten. Es soll aber hier nicht das Ende unserer Serie sein. Im nächsten Artikel möchten wir uns die Halbleiter in der Audioverstärkertechnik ansehen. Also – dranbleiben! Es lohnt sich!

Quellen:
- http://www.PassLabs.com
- http://www.PassDIY.com
- QUAD
- Dr. M. J. Hawksford, Distortion Correction in Audio Power Amplifiers J. Audio Eng. Soc. Vol. 29, No 1/2 and 7/8
- Dr. M. J. Hawksford, Reduktion of Transistor Slope Impedance Dependent Distortion in Large-Signal Amplifiers, J. Audio Eng. Soc. Vol. 36, No 4

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