Oszilloskop und Spektrum-Analyzer Teil 1/2
Aus ELVjournal
04/2006
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Jede
Münze hat zwei Seiten! Nur wenn die Beschreibung beider Seiten
vorliegt, kann man sich ein vollständiges Bild von ihr machen. Niemand
wird an dieser Binsenweisheit zweifeln. Aber ist es genauso klar, dass
für jede zeitveränderliche Größe nur deren Charakterisierung im Zeit-
und Frequenzbereich das ganze Bild ergibt? Gleichgültig, ob Börsenkurse,
seismologische Aktivitäten, das Licht ferner Sterne oder die
Erdgeschichte (um nur einige wenige Beispiele zu nennen), stets
erschließen sich neue Erkenntnisse, wenn wir über die Beobachtung des
zeitlichen Verlaufs einer Größe ihre damit mathematisch verkoppelte
Frequenzcharakteristik analysieren. Für Messungen im „Zeitbereich“ (time
domain) sind das Oszilloskop und im „Frequenzbereich“ (frequency
domain) der Spektrumanalysator die klassischen Hilfsmittel. Mit den
Grundlagen der Beschreibung elektrischer Signale und der darauf
beruhenden Messtechnik will sich der folgende Artikel beschäftigen.Zeit-Frequenz-Bezüge
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Bild 1: Drei Sinusschwingungen mit unterschiedlicher Frequenz und Amplitude sind die Bestandteile einer komplexeren Schwingung |
Stellen
wir uns eine einfache elektrische Sinusschwingung vor. Sie könnte z. B.
als Spannung an den Enden einer Leiterschleife entstehen, die mit
konstanter Drehzahl in einem konstanten magnetischen Feld rotiert. An
diesem Beispiel erkennen wir schon intuitiv, dass zwischen der Drehzahl
(Frequenz) und dem Zeitverlauf ein reziproker Zusammenhang besteht. Mit
anderen Worten: Je höher die Rotationsfrequenz, umso schneller die
zeitliche Änderung der Sinusschwingung. Beschrieben wird das Zeitsignal
durch einen Amplitudenverlauf, der eine Funktion der Zeit ist (Abbildung
1). Die rote Kurve beschreibt den sin(ωt). Er ist in 2 π periodisch, d.
h. nach einer vollen Umdrehung der Leiterschleife (2 π = 360°) beginnt
ein identischer Spannungsabschnitt. Mathematisch drückt sich das darin
aus, dass der Sinus bei t = 0, 2 π/ω, 4 π/ω usw. den Wert null annimmt. ω
wird auch als Kreisfrequenz bezeichnet und es gilt ω = 2 πf, mit f als
Frequenz.Frequenz
f und Zeit t sind also miteinander im Argument der Sinusfunktion
verknüpft. Wenn bei der roten Sinuskurve eine volle Sinusschwingung (2
π) nach einer Sekunde durchlaufen ist (Periodendauer 1 s), hat sie eine
Frequenz von 1 Hz. Bei der grünen Kurve passen zwei volle Perioden in
das Intervall 0 bis 2 π, also hat sie eine Frequenz von 2 Hz, bei der
blauen sind es entsprechend 3 Hz. Werden die drei Schwingungen summiert,
ergibt sich der Kurvenverlauf aus Abbildung 2. Über einer Frequenzachse
werden die drei Sinusschwingungen als senkrechte Striche dargestellt,
deren Länge dem Maximalwert der zugehörigen Schwingung (Amplitude)
entspricht (Abbildung 3).
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Bild 2: Dies ist die Ergebnisschwingung, wenn man die Schwingungen aus Bild 1 addiert |
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Bild
3: Im Frequenzbereich besteht das Zeitsignal aus Abbildung 2 aus drei
Spektrallinien, deren Länge die Amplitude der jeweiligen
Frequenzkomponenten darstellt |
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Bild
4: Es ist eine Frage des Standpunktes oder des Blickwinkels, wie sich
ein Signal präsentiert, als Zeitfunktion oder als Frequenzspektrum |
In
einer dreidimensionalen Darstellung (Abbildung 4) lassen sich die
Zusammenhänge weiter veranschaulichen. Die Achsen Zeit, Amplitude und
Frequenz spannen einen Raum auf, in den die harmonischen Schwingungen
eingezeichnet werden. Sie verlaufen parallel zur Zeitachse und quer zur
Frequenzachse. Ist die Zeitprojektionslampe eingeschaltet, werden die
Zeitkurven der Harmonischen auf der Zeitebene abgebildet, wo sie sich
zum Kurvenzug aus Abbildung 2 überlagern. Mit der
Frequenzprojektionslampe dagegen ergibt sich die Abbildung der
Harmonischen in Form von drei Strichen auf der Frequenzebene. Ein und
derselbe Sachverhalt führt also zu zwei Bildern. Welches der Bilder wir
sehen, ist im wahrsten Sinn des Wortes reine Ansichtssache.Analyse periodischer Zeitsignale
In
der Praxis treten aber neben den sinusförmigen auch ganz andere
periodische Zeitfunktionen auf: Dreiecke, Rechtecke, Sägezähne usw.
Allen ist gemein, dass sie aus der Überlagerung einer Vielzahl von
harmonischen Schwingungen (Sinus und Kosinus) mit unterschiedlicher
Frequenz und Amplitude gebildet werden können. Die Zerlegung einer
beliebig geformten, periodischen Zeitfunktion in diese Sinusschwingungen
verdanken wir dem französischen Mathematiker Jean-Baptiste Fourier
(1768–1830). Seine Erkenntnis: „Jede periodische Zeitfunktion lässt sich
als eine Reihe von Summanden darstellen, die jeweils die harmonische
Frequenz und Amplitude einer Sinus- und einer Kosinusschwingung
repräsentieren.“ Es gilt also:Man
sieht, dass die Frequenz jeder Schwingung mit k > 0 ein Vielfaches
der Grundfrequenz ω0 = 2 πf0 ist. Die Fourierkoeffizienten ak und bk
erhält man, indem man x(t) mit sin(kω0t) bzw. cos(kω0t) multipliziert
und über eine Periode integriert: Für
k = 0 ergibt sich a0 als Gleichanteil von x(t). Wir wollen uns das
Resultat einer Fourieranalyse einmal am Beispiel einer Sägezahn- und
einer Rechteckfolge verdeutlichen. Die Fourierreihe eines
Sägezahnsignals lautet: Die
Approximation wird umso genauer, je mehr Reihenglieder wir
berücksichtigen. Abbildung 5 zeigt oben die Grundschwingung und 8
Oberschwingungen jeder Folge und unten deren Summe. Es fallen besonders
beim Rechteck die Überhöhungen an den Flanken auf. Wer glaubt, durch die
Berücksichtigung von immer mehr Gliedern der Fourierreihe würde dieser
Effekt verschwinden, täuscht sich. Die Höhe des größten „Überschwingers“
liegt bei knapp 18 % der Rechteckhöhe. Weitere Reihenglieder lassen die
Überschwinger nur enger zusammenrücken, ändern an ihrer Höhe aber
nichts. Dieses so genannte Gibb’sche Phänomen hängt damit zusammen, dass
wir an einer Unstetigkeitsstelle (sprungartige Änderung des Rechtecks
oder Sägezahns) mit stetigen Funktionen (Sinus und Kosinus)
approximieren wollen. Zwischenergebnis
„Jede
periodische Zeitfunktion ist durch die Summation von harmonischen
Sinus- und Kosinusschwingungen zu approximieren (Fourieranalyse). Dies
gelingt umso besser, je mehr Schwingungen höherer Ordnung man
berücksichtigt, hat aber seine Grenzen an Sprungstellen der zu
approximierenden Funktion.“ Der Begriff periodisch beinhaltet natürlich
die Tatsache, dass die zu approximierende Zeitfunktion schon immer da
sein musste und bis in alle Zukunft hinein weiter existiert. In der
Praxis haben wir es aber meist mit zeitlich begrenzten,
nicht-periodischen Signalen zu tun (eingeschaltet, ausgeschaltet,
moduliert …). Die Anwendung der Fourieranalyse führt dann zu mehr oder
weniger großen Fehlern. Auf jeden Fall hat jede Zeitfunktion ein
korrespondierendes Spektrum und umgekehrt.Das Oszilloskop
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Bild 6: Prinzipieller Aufbau des klassischen analogen Katodenstrahloszilloskops |
Der
Begriff Oszilloskop leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet
„Schwingungsbeobachter“. In der traditionellen analogen Ausführung wird
ein Elektronenstrahl gleichmäßig in waagerechter Richtung (x) über den
Leuchtschirm einer Braun ’schen Röhre bewegt und dabei vom Momentanwert
der zu messenden Spannung in vertikaler Richtung (y) ausgelenkt. Auf dem
Leuchtschirm der Braun’schen Röhre entsteht so ein Abbild des
zeitlichen Verlaufs der Messspannung (Abbildung 6). Diese Betriebsart
wird auch y-t-Betrieb genannt, weil die x-Richtung mit dem Zeitablauf
identisch ist. Die Geschwindigkeit der waagerechten Ablenkung wird von
der Frequenz einer Sägezahnschwingung (Zeitbasis) bestimmt, die an den
x-Ablenkelektroden anliegt. Der Leuchtschirm ist zum einfacheren
Vermessen der angezeigten Signale meist mit einem Raster mit 10 Teilen
in x-Richtung und 8 Teilen in y-Richtung überzogen. In y-Richtung wird
die Größe des zu messenden Signals in Volts/Div. und in x-Richtung die
Zeit in Time/Div. abgelesen. Manche Oszilloskope gestatten es, zwei
Zeitsignale gleichzeitig abzubilden. Am einfachsten geht das mit
Zweistrahlbildröhren. Aber auch mit einem Schreibstrahl ist das möglich,
wenn dieser in zwei aufeinander folgenden horizontalen
Strahldurchläufen vom einen Signal und dann vom anderen Signal in
y-Richtung abgelenkt wird (Betriebsart „Alternate“). Der Strahl kann
aber auch auf seinem Weg über den Schirm kurzzeitig das eine oder das
andere Signal repräsentieren, also gewissermaßen zwei zerhackte Kurven
erzeugen (Betriebsart „Chop“).
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Bild
7: So arbeiten x- und y-Ablenkung mit der Triggerung des
Elektronenstrahls zusammen. Sie schneiden stets den gleichen Abschnitt
aus dem periodischen Signal aus und erzeugen somit ein stehendes Bild |
Für
ein stehendes Bild ist es notwendig, den Lauf des Strahles in
horizontaler Richtung bei der gleichen Amplitude des periodischen
Signals beginnen zu lassen. Man sagt auch, das Signal triggert (to
trigger: auslösen) die x-Ablenkung. Abbildung 7 zeigt die Zusammenhänge.
Zum Zeitpunkt t1 bei der auslösenden Spannung Utr startet der in
x-Richtung ablenkende Sägezahn bei seinem negativen Minimalwert (Strahl
am linken Bildschirmrand), steigt linear auf Null an (Strahl in
Bildschirmmitte) und dann weiter auf seinen maximalen positiven Wert
(Strahl am rechten Bildschirmrand), den er zu t2 erreicht. Im
Zeitintervall t2–t1 hat das Signal den Strahl in y-Richtung ausgelenkt,
was die Kurve auf dem Bildschirm erzeugt. Nun wird der Strahl vom
Wehneltzylinder dunkel getastet (unterbrochen) und, ohne eine Lichtspur
auf dem Bildschirm zu hinterlassen, wieder an den linken Bildschirmrand
zurückgeführt (t2+tr). Beim Eintreten der nächsten Triggerbedingung (Utr
zu t3) gibt der Wehneltzylinder den Strahl wieder frei, und der nächste
Durchlauf startet. So ergibt sich durch das Zusammenwirken von Ux und
Uy ein stehendes Bild auf dem Schirm.
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Bild 8: Ein täuschend echt arbeitendes virtuelles Oszilloskop, mit dem man sich sehr gut in die Materie einarbeiten kann |
Je
nach Größe der Ablenkdauer (t2–t1) wird ein mehr oder weniger großer
Abschnitt des Zeitsignals abgebildet, was einer horizontalen Stauchung
(weniger Bilder pro Sekunde) bzw. einer Dehnung (mehr Bilder pro
Sekunde) entspricht. Für eine wohl defi- nierte Laufzeit des Strahls in
x-Richtung ist die Zeitbasis des Oszilloskops zuständig. Wie bereits
gesagt, setzt das wiederholte Triggern ein periodisches Signal voraus.
Für einmalige Zeitvorgänge (one shot) verwendete man früher analoge
Speicheroszilloskope, deren Bildröhren das Bild eine bestimmte Zeit lang
einfrieren konnten. Im Zeitalter der Digitaltechnik steht das
One-Shot-Signal im Speicher des Digitaloszilloskops zur Analyse und
Anzeige zur Verfügung. Wer sich mit dem Oszilloskop vertraut machen
will, findet auf der Internetseite www.virtuelles-oszilloskop.de von
Peter Debik eine schöne Möglichkeit dafür. Hier kann er an einem
virtuellen Zweikanaloszilloskop HM 203 der Firma Hameg alle Feinheiten
der Bedienung bequem und hintergründig ausloten (Abbildung 8).Analog oder digital?
Die
Verarbeitung eines analogen Messsignals kann analog oder digital
erfolgen. Entsprechend spricht man von Analog- oder
Digitaloszilloskopen. Beim Digitaloszilloskop findet man die ganze
Bandbreite der Methoden zur digitalen Signalverarbeitung: Bandbegrenzen
und Abtasten des Signals, A/D-Wandlung mit einer bestimmten Wortlänge,
Algorithmen zur Signalmanipulation und D/A-Wandlung … Ein wesentlicher
Vorteil digitaler Oszilloskope liegt darin, dass die abgetasteten
Signale abgespeichert und in alle möglichen Richtungen hin untersucht
werden können. So ist es nicht verwunderlich, dass hochwertige
Digitaloszilloskope quasi nebenbei die Funktion eines
Spektrumanalysators mit übernehmen und umgekehrt. Auf jeden Fall sind
aber Kenntnisse der digitalen Signalverarbeitung erforderlich, sonst
kann man deren spezifische Fehler nicht richtig einschätzen und keine
dem Messproblem entsprechenden Einstellungen und Auswertungen vornehmen.
Die Übernahme von Messdaten in Computer zur weiteren spezialisierten
Aufbereitung ist nur mit Digitaloszilloskopen möglich und erweitert
deren Nutzen oft beträchtlich. Nicht zuletzt wird bei
Digitaloszilloskopen der Bildschirm zum Einblenden wichtiger
Informationen eingesetzt: Periodendauer, Frequenz, Spitzen- oder
Effektivwert, Anstiegs- und Abfallzeiten, Zeitpunkt der Messung,
Toleranzschemen, u. v. m. Mit der Möglichkeit von farblichen Zuordnungen
und der Eingabe über einen berührungsempfindlichen Bildschirm (touch
screen) erfährt die Bedienerfreundlichkeit eine neue Größenordnung. Die
meisten höherwertigen Digitaloszilloskope können über einen
Netzwerkanschluss gesteuert und ausgelesen werden (GPIB und Ethernet).
Das ist die Voraussetzung für die Einbindung in automatisierte
Messumgebungen. Insbesondere die Analyse von transienten (flüchtigen)
Vorgängen im Zeit- und Frequenzbereich ist durch die Digitaltechnik viel
einfacher. Der zweite Teil dieses Artikels beschäftigt sich mit den
grundlegenden Techniken.Fachbeitrag online und als PDF-Download herunterladen
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