Einführung in die digitale Signalverarbeitung Teil 1/8

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Aus ELVjournal 02/2007     0 Kommentare
 Einführung in die digitale Signalverarbeitung Teil 1/8

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„Natura non facit saltus“ (Die Natur macht keine Sprünge). Schon seit den alten Griechen gingen die Philosophen und Naturwissenschaftler davon aus, dass in der Natur beobachtbare Vorgänge und messbare Größen keine sprunghaften Änderungen aufweisen, sondern von Kontinuität und Stetigkeit geprägt sind. Bis zum Beginn des vergangenen Jahrhunderts hatte dieses Axiom unangefochtene Gültigkeit. Erst die relativistische Quantenmechanik stellte es in Frage (Quantensprung).

Allgemeines

Für die klassische Physik und Elektrotechnik sowie die von uns durch unsere Sinnesorgane erlebte Umwelt bewahrheitet sich das Stetigkeitsaxiom immer wieder: Temperaturen, Drücke, Wasserstände, Ladungen, Spannungen, Ströme ... – allgemein formuliert „Signale“ – verändern sich in endlichen Zeitabschnitten endlich. Diese Eigenart ihres Verhaltens macht es möglich, den zeitlichen Verlauf durch eine genügend dichte Folge von Einzelwerten zu beschreiben und die Zwischenwerte durch Interpolation zu gewinnen. Man erhält die Folgewerte durch regelmäßige Messung des Signals, was auch als „Abtasten“ bezeichnet wird. Der zeitliche Abstand der Folgewerte darf nur nicht so groß werden, dass relevante Signaländerungen zwischen zwei Folgewerten liegen und somit nicht erkannt werden können. Hier gilt das Prinzip „so selten wie möglich, so häufig wie nötig“. Am Beispiel von Messungen des Wasser­standes (Pegel) von Gewässern wollen wir das verdeutlichen. Diese im Sekunden­ab­stand vorzunehmen, ist unsinnig, weil sich der Pegel in dieser kurzen Zeit nur unwesentlich ändert und riesige Messwertetabel­len entstünden. Andererseits sind wöchentliche Messungen zu wenig, da zwischen ihnen die Überschwemmung ihren Lauf genommen haben könnte. Wir brauchen also eine an die Veränderungsgeschwindigkeit der Messgröße angepasste Messrate: Schnell veränderliche Größen müssen häufig gemessen werden, trägere weniger häufig, damit aus der Folge der Messwerte ein verlässliches Bild vom Verlauf der Messgröße zu gewinnen ist. Genau diese Erkenntnis schlägt sich im später erklärten Abtasttheorem der Nachrichtentechnik nieder.

Das elementarste Analog-Signal ist eine sinusförmige Funktion der Zeit. Deren Amplitude s(t) hängt mit der Frequenz f, der Zeit t, dem Phasenwinkel φ und der Spitzenamplitude (s^) wie folgt zusammen:


Mit der Definition der Kreisfrequenz

ergibt sich:

Gleichung 3 entspricht dem in Abbildung 1 dargestellten Kurvenverlauf.
Bild 1: Die grafische Darstellung des zeitlichen Verlaufs einer um den Phasenwinkel φ voreilenden Sinusschwingung mit der Kreisfrequenz ω und der Amplitude s^
Bild 1: Die grafische Darstellung des zeitlichen Verlaufs einer um den Phasenwinkel φ voreilenden Sinusschwingung mit der Kreisfrequenz ω und der Amplitude s^
Wir merken uns an dieser Stelle, dass ein positiver Phasenwinkel die Kurve nach links zu früheren Zeiten verschiebt. Man sagt auch, die Kurve mit dem positiven Phasenwinkel im Argument eilt der ohne Phasenwinkel voraus (voreilend). Das ist leicht verständlich, wenn wir uns einen bestimmten Punkt der Kurve anschauen, z. B. den Nullpunkt vor der positiven Halbwelle. Hier ist wegen sin(0)=0 das Argument ωt + φ = 0, woraus ωt = -φ folgt. Negative Phasenwinkel verschieben die Kurve entsprechend nach rechts, d. h. zu späteren Zeitpunkten hin (nacheilend). Die Frequenz f beschreibt, wie viele Schwingungen in einer Sekunde stattfinden. Ihre Dimension ist demnach 1/s oder Hz (Hertz). Die Dauer für eine ganze Schwingung ist der Kehrwert ihrer Frequenz und wird als Periodendauer T mit der Einheit s bezeichnet. Gleichung 4 beschreibt den Zusammenhang zwischen Periodendauer und Frequenz, Gleichung 5 zwischen Periodendauer und Kreisfrequenz:

bzw.

Aus rechnerischen Gründen ist die komplexe Darstellung des Sinus oder Kosinus oft sehr vorteilhaft. Dazu verwendet man die Eulersche Identität:

Ersetzt man x durch -x folgt:

i wird als imaginäre Einheit bezeichnet. Sie ist definiert als Quadratwurzel aus -1. Dementsprechend gilt:

und

Man kann die Gleichungen 6 und 7 auch grafisch als Einheitszeiger mit der Länge 1 in der komplexen Ebene darstellen. Abbildung 2 ist die grafische Entsprechung von Gleichung 6.
Bild 2: Die Eulersche Identität als Einheitszeiger in der komplexen Ebene
Bild 2: Die Eulersche Identität als Einheitszeiger in der komplexen Ebene
Wegen des vertauschten Vorzeichens des Imaginärteils des zu (6) gehörigen Zeigers erscheint der mit Gleichung 7 korrespondierende Zeiger in Abbildung 3 an der reellen Achse gespiegelt.
Bild 3:  Die Darstellung aus Bild 2 mit umgekehrtem Vorzeichen des Exponenten
Bild 3: Die Darstellung aus Bild 2 mit umgekehrtem Vorzeichen des Exponenten
Auf s(t) angewandt, folgt:

Man sieht, dass die reelle Zeitfunktion s(t) gleich dem Imaginärteil des komplexen Ausdrucks ist. Mit konjugiert komplexen Exponen­tialausdrücken (Exponenten mit umgekehrten Vorzeichen) kann man s(t) auch wie folgt schreiben:

Hat s(t) einen kosinusförmigen Verlauf, gilt:

Zeigerdarstellung

An dieser Stelle sollte man sich die Darstellung einer phasenverschobenen Sinus- bzw. Kosinusschwingung mit der Spitzenamplitude 1 durch zwei in der komplexen Ebene gegenläufig mit der Frequenz ω rotierende Zeiger mit der halben Länge der Spitzenamplitude grafisch verdeutlichen. Abbildung 4 zeigt dies für die Sinusschwingung.
Bild 4: Die Sinusschwingung als Projektion zweier gegenläufiger, zur imaginären Achse symmetrischer Zeiger
Bild 4: Die Sinusschwingung als Projektion zweier gegenläufiger, zur imaginären Achse symmetrischer Zeiger
Zum Zeitpunkt t = 0 ist die Lage der beiden Zeiger der Länge 0,5 nur durch den Phasenwinkel φ bestimmt. Wir erkennen, dass sich die Projektionen auf die reelle Achse (cos) aufheben und die auf die imaginäre Achse (sin) addieren. Weil die rotierenden Zeiger die Länge 0,5 haben, entspricht die Summenlänge ihrer Projektionen (vektorielle Addition) auf die imaginäre Achse der Projektion eines einzelnen Zeigers der Länge 1. Die Kosinusschwingung illustriert Abbildung 5, ebenfalls zu t = 0. Hier heben sich die Projektionen auf die imaginäre Achse (sin) auf und jene auf die reelle Achse (cos) addieren sich.
Bild 5: Die Kosinusschwingung als Projektion zweier gegenläufiger, zur reellen Achse symmetrischer Zeiger
Bild 5: Die Kosinusschwingung als Projektion zweier gegenläufiger, zur reellen Achse symmetrischer Zeiger
Das Gesagte gilt natürlich auch für jeden beliebigen Zeitpunkt t >0, wo dann das Argument der e-Funktion bzw. des Sinus/Kosinus entsprechend größer ist. Ein voller Umlauf der Zeiger um 2ϖ (das Bogenmaß 2ϖ entspricht 360° im Winkelmaß) beschreibt eine Periode der Schwingung. Die Kurve hat nach t = 2ϖ/ω = Τ eine Periode durchlaufen und den gleichen Wert wie nach t = nΤ für alle ganzzahligen Werte von n. Man sagt, auch der Sinus sowie der Kosinus sind periodisch in 2ϖ. Eine allgemeingültige Formulierung für eine in T periodische Zeitfunktion lautet:

Gerade und ungerade Funktionen

Es ist für die Rechenpraxis ungemein praktisch, die Symmetrieeigenschaften von Funktionen zu kennen. Wenn eine Funktion spiegelsymmetrisch zur Ordinatenachse ist, spricht man von einer geraden Funk­tion. In der Formelsprache ausgedrückt, ist eine Funktion gerade, wenn gilt:

Ungerade Funktionen sind punktsymmetrisch zum Ursprung. Für sie gilt:

Abbildung 6 demonstriert die Symmetrieeigenschaften.
Bild 6: Gerade Funktionen sind spiegelsymmetrisch zur Ordinate (y-Achse), ungerade punktsymmetrisch zum Ursprung der xy-Ebene.
Bild 6: Gerade Funktionen sind spiegelsymmetrisch zur Ordinate (y-Achse), ungerade punktsymmetrisch zum Ursprung der xy-Ebene.

Harmonische Analyse periodischer Signale

Periodische Signale bestehen aus gleichen Abschnitten, die sich alle T Sekunden wiederholen und dies von jeher bis in alle Ewigkeit. Diese ewig währende Perio­dizität ist natürlich bei realen Signalen nie gegeben, da diese irgendwann einmal eingeschaltet und auch wieder ausgeschaltet werden. Aber je mehr Periodenlängen aneinander gereiht sind, umso mehr nähert man sich dem Idealzustand mit einer un­end­lichen Zahl von Perioden. Jedes perio­dische Signal lässt sich als unendliche Summe gewichteter sinusförmiger Schwingungen darstellen. Im „ELVjournal“ 4/06 wurde in dem Artikel „Oszilloskop und Spektrum-Analyzer“ die Zerlegung eines periodischen Signals in seine Harmonischen beschrieben. Im Gegensatz zu der dort verwendeten Darstellung benutzen wir hier die komplexe Notation:

Die im Allgemeinen komplexen Fourierkoeffizienten Fn berechnet man über:


Die Integration muss über eine Periode des Signals erfolgen, wobei t0 als untere Integrationsgrenze beliebig gewählt werden kann, am besten so, dass sich die Rechnung möglichst einfach gestaltet. Wir wollen an dieser Stelle festhalten, dass jedes periodische Signal aus einer Grundschwingung und unendlich vielen Harmonischen (Oberschwingungen mit Frequenzen, die Vielfache der Frequenz der Grundschwingung sind) besteht.

Harmonische Analyse nicht-periodischer Signale

Auch Signale, die nicht periodisch sind (diese nennt man auch aperiodisch), kann man aus Sinuskomponenten bilden. Dazu dienen die Fourierintegrale:


F(iω) ist das komplexe Spektrum (oder genauer formuliert: die spektrale Dichtefunktion) der aperiodischen Zeitfunktion f(t). Häufig ist die folgende symbolische Schreibweise für den Fourierintegralzusammenhang von Zeitfunktion und Spekt­rum anzutreffen:

Die Auswertung der Integrale (18) und (19) zur Ermittlung des Frequenzspektrums einer Zeitfunktion bzw. umgekehrt kann schwierig sein. Deshalb benutzt man in der Praxis Korrespondenztabellen, in denen die meisten Transformationen bereits zusammengestellt sind. Unter Berücksichtigung der wichtigsten Eigenschaften der Fouriertransformation (Tabelle 1) kann man auf diese Weise viele Fourierintegrale durch Analogieüberlegungen „lösen“.

Im nächsten Teil dieser Serie werden die Fourierkorrespondenzen wichtiger Funktionen und die wichtigsten allgemeinen Eigenschaften der Fouriertransformation besprochen.

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