Flachdisplays auf Flüssigkristallbasis – Verdrehte Ordnung schafft Bilder

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Aus ELVjournal 02/2007     0 Kommentare
 Flachdisplays auf Flüssigkristallbasis – Verdrehte Ordnung schafft Bilder
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Flachdisplays haben die Bildröhre heute nahezu vollständig verdrängt. Gerade bei großen Bildschirmformaten hätte die Röhrentechnik Monitore mit monströsen Ausmaßen und zentnerschweren Gewichten zur Folge. Hier hat der technische Fortschritt Alternativen ermöglicht, die sich harmonisch in das Wohnzimmer integrieren. Durch ihren günstigen Wirkungsgrad ist der Stromverbrauch vergleichsweise gering. Während in den vergangenen Folgen dieser Reihe Flachbildschirme mit ausgefallenen Funktionsprinzipien beschrieben wurden, geht es in diesem und dem nächsten Artikel um Technologien, die noch den Massenmarkt beherrschen: LCD und Plasma.

Historischer Rückblick auf die Flüssigkristalle als elektronisch steuerbare Lichtpolarisatoren

Bild 1: Otto Lehmann hat vor hundert Jahren als erster Wissenschaftler mit der systematischen Erforschung der Flüssigkristalle begonnen. (Quelle: Universitätsarchiv Karlsruhe)
Bild 1: Otto Lehmann hat vor hundert Jahren als erster Wissenschaftler mit der systematischen Erforschung der Flüssigkristalle begonnen. (Quelle: Universitätsarchiv Karlsruhe)
Die belegte Erforschung der Eigenschaften flüssiger Kristalle geht auf den Physiker Otto Lehmann (1855–1922) zurück (Abbildung 1). In seinem 1904 erschienenen Hauptwerk „Flüssige Kristalle“ untersuchte Lehmann systematisch das Kristallwachstum und molekulare Veränderungen an kristallinen Substanzen. Die Vorlesungen von Pierre Curie über „Symmetrie in physikalischen Phänomenen“ an der Pariser Sorbonne um 1905 weckten das Interesse von Charles Mauguin (1878–1958) an der Kristallographie. Mit Hilfe von Röntgenstrahlen erforschte er die Struktur und die anisotropen (richtungsabhängigen) Eigenschaften von Flüssigkristallen und leistete große Beiträge zu diesem Wissensgebiet. 1936 patentierte die Marconi Wireless Telegraph Company die erste praktische Anwendung der Technologie, das Flüssigkristall-Lichtventil. Anfang der 60er Jahre kam nach 25 Jahren Stillstand wieder Bewegung in die Flüssigkristallforschung. Das erste praktisch anwendbare LCD (Liquid Crystal Display = Flüssigkristallanzeige) entstand 1968 in den USA durch ein Team um George H. Heilmeier bei der Radio Corporation of America (RCA). Heilmeier gründete die Firma Optel, die einige LCDs nach dem Prinzip der dynamischen Lichtstreuung (dynamic scattering) entwickelte. Er ist damit einer der Pioniere der industriell gefertigten Flüssigkristalldisplays. Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts legten die Physiker Martin Schadt und Wolfgang Helfrich, damals im Central Research Laboratory der Firma Hoffmann-La Roche in Basel tätig, mit ihren Forschungen an chemischen Substanzen mit flüssigkristallinen Eigenschaften bei Raumtemperatur die Grundlage aller heutigen LCDs. Mit ihrem Aufsatz „Voltage-dependent optical activity of a twisted nematic“ in Applied Physics Letters 18, 127 (1971), begann der bis dahin exotische Forschungszweig seinen Siegeszug durch die Welt der Displaytechnologie. Schadt und Helfrich hatten mit der nach ihnen benannten Schadt-Helfrich-Zelle eine Anordnung vorgestellt, welche als spannungsgesteuertes Lichtventil bis heute in nahezu allen LCD-Typen in mehr oder weniger abgewandelter Form anzutreffen ist. Was ist ein Flüssigkristall? Flüssigkristalle sind Substanzen, die sich teilweise wie ein Festkörper, aber teilweise auch wie eine Flüssigkeit verhalten. Während sich feste Kristalle durch eine starre Position und Ausrichtung ihrer Moleküle auszeichnen, sind die Moleküle eines Flüssigkristalls nicht ortsfest (Flüssigkeitseigenschaft), aber in ihrer Ausrichtung beeinflussbar und damit in eine geordnete Struktur zu bringen (Kristalleigenschaft).
Bild 2: Flüssigkristalle gehen bei Erwärmung nicht direkt aus der anisotropen kristallinen Phase in die isotrope Flüssigphase über, sondern machen den Zwischenschritt über die anisotrope Schmelze.
Bild 2: Flüssigkristalle gehen bei Erwärmung nicht direkt aus der anisotropen kristallinen Phase in die isotrope Flüssigphase über, sondern machen den Zwischenschritt über die anisotrope Schmelze.
In Abbildung 2 oben ist dargestellt, wie ein herkömmlicher Kristall beim Überschreiten des Schmelzpunktes von der anisotropen Kristallstruktur direkt in die isotrope Schmelzflüssigkeit übergeht. Aber es geht auch anders. Heute sind Zigtausende von organischen Verbindungen bekannt, die beim Erhitzen über eine oder mehrere anisotrope flüssigkristalline Phasen in die isotrope flüssige Schmelze übergehen (Abbildung 2 unten). Unter Anisotropie versteht man die Richtungsabhängigkeit von physikalischen Eigenschaften wie z. B. Transparenz, Härte, Spaltbarkeit, elekt­rische Leitfähigkeit. Isotropie beschreibt das gegensätzliche Verhalten, d. h. die Richtungsunabhängigkeit der Materialeigenschaften. Besonders interessant sind davon jene Verbindungen, die ihre flüssigkristallinen Merkmale im Bereich der Raumtemperatur, also in einem Temperaturbereich um 20° Celsius aufweisen. Als Beispiele können Methyloxybenzylidenbutylanilin (MBBA)und Pentylcyanobiphenyl (5CB) genannt werden. Allen Verbindungen mit flüssigkristallinen Phasen ist gemeinsam, dass ihre Moleküle vier- bis sechsmal so lang wie dick sind (Formanisotropie). Das erklärt bei regelmäßiger Ausrichtung der Flüssigkristalle das richtungsabhängige (anisotrope) optische Verhalten.

Polarisation

Bild 3: Bei einer elektromagnetischen Welle stehen die elektrische und die magnetische Feldkomponente senkrecht zueinander und zur Ausbreitungsrichtung.
Bild 3: Bei einer elektromagnetischen Welle stehen die elektrische und die magnetische Feldkomponente senkrecht zueinander und zur Ausbreitungsrichtung.
Licht besteht im Allgemeinen aus einem Gemisch elektromagnetischer Wellen unterschiedlicher Frequenz (Farbe) und Lage im Raum (Schwingungsebene, Polarisation). Bekanntlich besteht eine einzelne elektromagnetische Schwingung aus einer elektrischen Komponente E und einer magnetischen Komponente H, die senkrecht aufeinander und auf der Ausbreitungsrichtung stehen (Abbildung 3). Eine solche Schwingung wird auch transversal genannt. Das Kreuzprodukt aus E und H ist der Poynting’sche Vektor S (S=ExH). Er zeigt in Richtung der Ausbreitung (x) der Welle und beschreibt den mit ihr verbundenen Energiefluss. Üblicherweise wird die Ebene, die von der Ausbreitungsrichtung und dem elektrischen Feldvektor aufgespannt wird, als Polarisationsebene der Welle bezeichnet, senkrecht dazu steht die Schwingungsebene. Gelegentlich sind die beiden Begriffe in der Literatur auch vertauscht zu finden. Das Licht der Sonne oder einer Glühbirne weisst nun eine Vielzahl von Polarisationsebenen auf. Lässt man es durch eine transparente Schicht fallen, die nur eine Polarisationsebene herausfiltert (Polarisationsfilter), trifft man nach dem Durchtreten des Lichts nur noch Schwingungen mit einer Polarisationsrichtung an. Dieses Licht bezeichnet man als linear polarisiert, seine Schwingungen als transversal. Darauf beruht das Funktionsprinzip des LCDs. Als Polarisationsfilter kommen heute meistens Kunststofffolien zum Einsatz. Sie bestehen aus transparenten Materialien, in die lange und parallel ausgerichtete Moleküle eingearbeitet sind. Dazu kann man z. B. dichroitische Kristalle in flüssiger Gelatine auf einen elastischen Träger aufbringen und unter mechanischem Zug erstarren lassen. Dadurch richten sich die Kristalle mehr oder weniger in Zugrichtung aus und die resultierende Folie zeigt die gewünschten Filtereigenschaften. Als dichroitisch bezeichnet man die Eigenschaft eines anisotropen Kristalls, parallel oder senkrecht zur Kristallachse einfallendes Licht mehr oder weniger stark zu absorbieren. Modellhaft kann man sich einen Polarisator als feines Gitter vorstellen, das nur Lichtanteile durchlässt, deren Schwingungsebene mit der Gitterorientierung übereinstimmt.
Bild 4: Die Schadt-Helfrich-Zelle ist die Urform aller LCDs. Im spannungslosen Zustand sind die Flüssigkristalle schraubenförmig zwischen ihren Vorzugslagen an den Orientierungsschichten ausgerichtet.
Bild 4: Die Schadt-Helfrich-Zelle ist die Urform aller LCDs. Im spannungslosen Zustand sind die Flüssigkristalle schraubenförmig zwischen ihren Vorzugslagen an den Orientierungsschichten ausgerichtet.
Die Schadt-Helfrich-Zelle besteht aus zwei parallelen, an der Innenseite mit transparenten, leitfähigen Elektroden aus Indium-Zinn-Oxid (ITO) beschichteten Glasplatten (Abbildung 4). Der Raum zwi­schen den Elektroden ist mit einer nematischen flüssigkristallinen Substanz gefüllt. Durch eine spezielle Oberflächenbehandlung der ITO-Elektroden (durch Beschichten mit Polyvinylalkohol und Bürsten in 90° versetzte Vorzugsrichtungen ergeben sich zwei Orientierungsschichten) lagern sich die Flüssigkristalle an den Oberflächen (homogene Orientierung) mit 90° Richtungsunterschied an. Dazwischen verändert sich die Kristallorientierung stufenlos. Die Kristalle sind also entsprechend einer 90°-Schraube zwischen den Elektroden parallel zu ihnen ausgerichtet. Wenn man nun die Außenseiten der Glasplatten mit Polarisatoren in den Vorzugsrichtungen beschichtet, tritt polarisiertes Licht, d. h. Licht einer einzigen Schwingungsebene, in die Schadt-Helfrich-Zelle ein. Es wird beim Durchlaufen der Zelle kontinuierlich um 90° gedreht. Das in seiner Orientierung gegen das Eingangsfilter rechtwinklig verdrehte Ausgangsfilter lässt das Licht deshalb ungeschwächt durch (normally white mode).
Bild 5: Liegt an den Elektroden der Schadt-Helfrich-Zelle eine Spannung an, orientieren sich die Kristalle in Richtung des dadurch hervorgerufenen elektrischen Feldes.
Bild 5: Liegt an den Elektroden der Schadt-Helfrich-Zelle eine Spannung an, orientieren sich die Kristalle in Richtung des dadurch hervorgerufenen elektrischen Feldes.
Beim Anlegen einer Spannung an die ITO-Elektroden orientieren sich die inneren Flüssigkristallmoleküle an den elekt­rischen Feldlinien (Abbildung 5), umso mehr, je größer die Spannung ist. Die Moleküle unmittelbar an der Orientierungsschicht behalten auch bei höheren Spannungen ihre Lage unverändert bei. Somit verliert die Schadt-Helfrich-Zelle mit wachsender Spannung ihre Transparenz. Man kann die Polarisatoren auf den Innenseiten der Glasscheiben auch gleich orientieren und hat dann im spannungslosen Zustand eine lichtundurchlässige Zelle (normally black mode). Wegen ihres schlechteren Kontrasts wird diese Anordnung kaum verwendet.

Einfache LC-Displays

Bild 6: Von der statischen 7-Segment-Anzeige zum dynamischen Punktarray
Bild 6: Von der statischen 7-Segment-Anzeige zum dynamischen Punktarray
Frühe LCDs dienten der Anzeige von Dezimalzahlen mit 7 Segmenten (Abbildung 6 links), z. B. in Taschenrechnern. Das notwendige Licht für das Sichtbarmachen der Helligkeitsunterschiede wurde dabei von einem reflektierenden Displayhintergrund geliefert. Ohne Umgebungslicht funktionierten diese Displays also nicht. Im einfachsten Fall wurde jedes Segment einzeln verdrahtet, was bei umfangreicheren Displays schnell eine sehr komplexe Leitungsführung zur Folge hatte. Man bezeichnet diese Methode der Ansteuerung als statisch. Für universellere LCDs eignet sich die Punktmatrixanordnung besonders (Abbildung 6 rechts). Mit ihr lassen sich alphanumerische Zeichen und einfache Grafiken darstellen. Die Matrixpunkte werden über Zeilen- und Spaltenelektroden angesteuert. Die Anzeige wird besonders schnell und kontrastreich, wenn man in jedem Kreuzungspunkt einen Speicherkondensator integriert. Die Kondensatoren werden zeilenweise über Dünnfilmtransistoren (TFT: Thin Film Transistor) einem Spannungsmuster an den Spaltenelektroden entsprechend aufgeladen und halten diesen Zustand bis zu einem neuen Zeilendurchlauf. Man sagt, derartige Displays werden dynamisch angesteuert oder gemultiplext, und spricht von Aktivmatrix- oder TFT-Flüssigkristalldisplays.

Farb-LCDs

Bild 7: LCD-Bolide mit 82"-Bildschirmdiagonale (Quelle: Samsung)
Bild 7: LCD-Bolide mit 82"-Bildschirmdiagonale (Quelle: Samsung)
Man kann die eben besprochenen gemultiplexten Punktmatrix-LCDs als Vorstufe zu den heute erhältlichen hochauflösenden TFT-Farbdisplays für Computermonitore und Fernsehgeräte betrachten. Die Technik hat dabei enorme Fortschritte gemacht, so dass Displays mit einer Bildschirmdiagonale von 56" (142 cm), vierfacher Full-HD-Auflösung (2160 x 3840 = 8,2944 Millionen Farbpixel), 8 ms Reaktionszeit, einem Kontrastverhältnis von 1:1000 und Millionen von Farben möglich sind, wie der amerikanische Hersteller Westinghouse auf der Consumer Electronics Show Anfang 2006 in Las Vegas demonstrierte. Ob und gegebenenfalls wann und zu welchem Preis solche Superboliden für den Endverbraucher verfügbar sein werden, ist ungewiss. Nutzen und Sinn für den Einsatz im heimischen Wohnzimmer müssen bezweifelt werden. Schon allein deshalb, weil gar kein derartig hochaufgelöstes Programmmaterial verfügbar ist. Dagegen sind Modelle wie der von Samsung vorgestellte 82"-TFT-LCD (2,082 m Bildschirmdiagonale!) mit 1080 x 1920 Farbpixeln beim koreanischen Hersteller bereits seit über zwei Jahren Realität (Abbildung 7). Wenn man bedenkt, dass jedes Farbpixel aus drei RGB-Pixeln besteht, wurden somit 6,22 Millionen Pixel und 12,44 Millionen Dünnfilmtransistoren auf einem einzigen Substrat aufgebracht. Das ist eine wahrhaft erstaunliche technologische Meisterleistung. Weltweit sind riesige Fertigungskapazitäten entstanden, und unter dem Konkurrenzdruck der Anbieter und alternativer Technologien werden die Preise bald fallen und die Geräte erschwinglich werden (Abbildung 8).
Bild 8: Kameyama: LCD-Werk der Superlative in der japanischen Präfektur Mie. Auf 330.000 m² werden hier „System-LCDs“ auf Glassubstraten von 1500 x 1800 mm hergestellt – über 12 Millionen aller Größenordnungen pro Monat.  (Quelle: Sharp)
Bild 8: Kameyama: LCD-Werk der Superlative in der japanischen Präfektur Mie. Auf 330.000 m² werden hier „System-LCDs“ auf Glassubstraten von 1500 x 1800 mm hergestellt – über 12 Millionen aller Größenordnungen pro Monat. (Quelle: Sharp)

LCD-Varianten

Nach der Art und Weise, in der die Kristalle einer wenige µm starken Flüssigkristallschicht unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes ausgerichtet werden, unterscheidet man im Wesentlichen drei LCD-Varianten: TN (Twisted Nematic), VA (Vertically Aligned) und IPS (In Plane Switching).

TN-LCD

Bild 9:  Schraubenförmig verdrehte nematische Flüssigkristalle werden unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes umorientiert. Im Zusammenwirken mit gekreuzten Polarisatoren und Farbfiltern entsteht so ein Pixel, das alle Farb- und  Helligkeitswerte  annehmen kann.  (Quelle: Merck KGaA)
Bild 9: Schraubenförmig verdrehte nematische Flüssigkristalle werden unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes umorientiert. Im Zusammenwirken mit gekreuzten Polarisatoren und Farbfiltern entsteht so ein Pixel, das alle Farb- und Helligkeitswerte annehmen kann. (Quelle: Merck KGaA)
Zum Einsatz kommen bei diesem LCD-Typ Flüssigkristalle mit positiv dielektrischer Anisotropie. Das bedeutet, dass sich die Kristalle in Richtung elektrischer Felder ausrichten. In der spannungsfreien Zelle drehen sie sich parallel zu den Glasflächen schraubenförmig von einer Vorzugsrichtung in die andere (Abbildung 9). Wenn mit zunehmender Spannung die Feldstärke ansteigt, orientieren sich die Flüssigkristalle immer stärker an der Feldrichtung, also senkrecht zu den Glasplatten. In dieser Lage drehen sie die Polarisationsrichtung des Lichtes nicht, was wegen der gekreuzten Polarisatoren an Eingang und Ausgang zu einer lichtundurchlässigen Zelle führt. Weiterentwickelte Displayvarianten mit höheren Kontrastverhältnissen sind das STN-LCD (Super Twisted Nematic), das DSTN-LCD (Double Super Twisted Nematic) und das TSTN-LCD (Triple Super Twisted Nematic).

VA-LCD

Bild 10: Beim Vertical-Aligned-LCD-Typ sind die Flüssigkristalle zwischen den spannungslosen Elektroden senkrecht zu ihnen ausgerichtet. (Quelle: Merck KGaA)
Bild 10: Beim Vertical-Aligned-LCD-Typ sind die Flüssigkristalle zwischen den spannungslosen Elektroden senkrecht zu ihnen ausgerichtet. (Quelle: Merck KGaA)
Hier ist es genau umgekehrt wie bei den TN-LCDs. Die an die Orientierungsschichten angelagerten Flüssigkristalle sind zwar auch zu den Elektroden parallel orientiert, im Raum dazwischen richten sie sich im spannungsfreien Zustand aber senkrecht zu ihnen aus (Abbildung 10). Dabei wird die Polarisationsebene des Lichts nicht verändert. Je nach der Orientierung der Polarisatoren (gleich oder gekreuzt) hat man eine transparente oder (häufiger) sperrende Zelle. Mit zunehmender Elektrodenspannung nehmen die Flüssigkristalle immer stärker eine horizontale Lage an und stehen damit mehr oder weniger quer zu den Feldlinien. Ein solches Verhalten zeigen negativ dielektrische anisotrope Flüssigkristalle.

IPS-LCD

Bild 11: Im In-Plane-Switching-LCD werden die Flüssigkristalle parallel zu den Substratplatten ausgerichtet. Dazu müssen die Elekt­roden auf einer Seite jeder Zelle angeordnet sein. Die Blickwinkelabhängigkeit geht bei dieser Anordnung stark zurück.
Bild 11: Im In-Plane-Switching-LCD werden die Flüssigkristalle parallel zu den Substratplatten ausgerichtet. Dazu müssen die Elekt­roden auf einer Seite jeder Zelle angeordnet sein. Die Blickwinkelabhängigkeit geht bei dieser Anordnung stark zurück.
Diese Technik beruht auf einem Patent des Fraunhofer-Instituts IAP aus dem Jahr 1990. Ihre Vorteile sind kurze Schaltzeiten und hoher Kontrast bei geringer Blickwinkelabhängigkeit. Bei IPS-LCDs sind die Elektroden nicht gegenüberliegend auf beiden Seiten der Zelle, sondern nebeneinander auf der Lichteinfallseite angeordnet. Das IPS-Prinzip verdeutlicht Abbildung 11. Dabei entsteht in der Mitte zwischen den Elektroden im nematischen Flüssigkristall ein horizontales elektrisches Feld.
Bild 12: Weiter Betrachtungswinkel als Lohn für komplizierte Struktur: Drei IPS- Zellen für die Grundfarben RGB bilden  ein Farbpixel.  (Quelle: Merck KGaA)
Bild 12: Weiter Betrachtungswinkel als Lohn für komplizierte Struktur: Drei IPS- Zellen für die Grundfarben RGB bilden ein Farbpixel. (Quelle: Merck KGaA)
Die praktische Ausführung eines IPS-LCD-Farbpixels zeigt Abbildung 12. Im spannungslosen Zustand wird die Polarisationsrichtung des durchtretenden Lichtes nicht verändert. Wegen der versetzten Polarisatoren an Ein- und Ausgang der Zelle ist diese dabei lichtundurchlässig (normally black). Beim Anlegen einer kleinen Spannung drehen sich die Flüssigkristalle in der Ebene (in plane) zwischen den Glasplatten in Richtung des elektrischen Feldes. Mit wachsender Spannung orientieren sich immer mehr Kristalle an den Feldlinien zwischen den Elektroden und drehen die Polarisationsebene des Lichtes zunehmend. Dabei nimmt die Lichtdurchlässigkeit der Zelle stetig zu.

Aufbau eines LC-Displays

Bild 13:  Das präzise Zusammenwirken der zahlreichen Schichten eines LCDs stellt die Fertigungstechnik vor enorme Herausforderungen. (Quelle: Thomson)
Bild 13: Das präzise Zusammenwirken der zahlreichen Schichten eines LCDs stellt die Fertigungstechnik vor enorme Herausforderungen. (Quelle: Thomson)
Den typischen Schichtenaufbau eines vollständigen LC-Displays zeigt Abbildung 13. Noch nicht besprochen wurde die Funktion des Rückbeleuchtungssystems, bestehend aus einer Weißlicht-Leuchtstofflampe mit Reflektor, die ihr Licht in die Unterkante eines prismatischen Rücklichtleiters (backlight guide) einstrahlt. Der Rücklichtleiter beleuchtet dann flächenhaft eine Prismenscheibe, die im Zusammenwirken mit einer Diffusorscheibe eine homogene Helligkeitsverteilung bei der Bestrahlung der Aktivmatrixzellen garantiert. Als Lichtquelle werden bei manchen Highend-Displays flächenhafte Leuchtdiodenpaneele verwendet. Deren Lebensdauer und Konstanz der Beleuchtungseigenschaften ist bei geringerem Verbrauch höher, der Preis allerdings auch. Eine Reihe von Anbietern hat diese LED-Backlight-Technik bereits im Portfolio (z. B. Samsung und Sony).

Vor- und Nachteile von LCDs

Zu den Vorteilen von LCDs zählen der (relativ) geringe Energieverbrauch, das flimmer- und verzerrungsfreie, scharfe Bild, die flache Bauform und das geringe Gewicht. Nachteilig sind die nicht restlos auszuschließenden Pixelfehler, die unveränderliche Auflösung, eine kostenintensive Produktion sowie die relativ kurze Lebensdauer der Hintergrundbeleuchtung. Probleme mit geringem Kontrast, unechten Farben, langen Schaltzeiten (zumindest bei Raumtemperatur) und starker Blickwinkelabhängigkeit gehören inzwischen der Vergangenheit an. Ein Kritikpunkt, der auch für viele andere industrielle Produktionen besonders vor dem Hintergrund einer verhältnismäßig kurzen Produktlebensdauer gilt: Die Vielzahl umweltgefährdender Stoffe bei der Produktion von LCDs, verbunden mit einer hohen Ausschussquote, hat häufig zur Verlagerung der Produktion in Länder mit niedrigen Umweltschutzstandards geführt.

Schaltzeiten

Wird ein LCD-Pixel von Weiß auf Schwarz (oder umgekehrt) umgeschaltet, dauert dies durch die Trägheit der Kristalle bei der Umorientierung in der nematischen Flüssigkeit eine gewisse Zeit. Nach der Norm ISO 13406-2 als Qualitäts- und Ergo­nomiestandard für TFT-LCDs ist die Schaltzeit die Zeit zur Änderung der Helligkeit eines Bildpixels von 10 % bis 90 %, wobei 0 % und 100 % die Farben Schwarz respektive Weiß kennzeichnen. Die Reaktionszeit moderner LCDs wird immer kürzer, <10 ms sind schon gute Werte. Um Bewegungsunschärfen ganz zu vermeiden, sind Schaltzeiten <3 ms notwendig. Die ISO 13406-2 klassifiziert noch viele weitere Kriterien wie Betrachtungswinkel, Pixelfehler, Leuchtdichte und Helligkeitsverteilung, Kontraste, Flimmern, Fonteignung sowie das Reflexionsverhalten der Displayfront und ermöglicht damit die objektive Qualitätseinstufung eines Displays.

Bewegungsunschärfe (Motion Blur)

Bild 14: Von Generation zu Generation nimmt die Bewegungsunschärfe der LCDs ab. (Quelle: www.biologie.de)
Bild 14: Von Generation zu Generation nimmt die Bewegungsunschärfe der LCDs ab. (Quelle: www.biologie.de)
Bei TFT-LCDs steht ein Pixel für die Dauer eines Frames bedingt durch die La­de­­spannung des Speicherkondensators auf einem konstanten Wert. Bei Vollbildabtastung (progressiv) und 80 Hz Bildwiederhol­rate wird es also frühestens nach ca. 12 ms in Farbe und Helligkeit verändert. Weil das Auge die Helligkeitswerte der Pixelzustände aufintegriert, scheinen diese zu hell und zudem „verwischt“ – dies umso mehr, je bewegter die dargestellte Szene ist (Abbildung 14). Im Amerikanischen nennt man diesen Effekt „Motion Blur“, auf Deutsch spricht man von Bewegungsunschärfe. Sie lässt sich am einfachsten verringern durch eine Verkürzung der Schaltzeiten des Displays und die demzufolge möglichen höhe­ren Bildwiederholraten. Dazu gibt es einige Ansätze: Verringerung der Viskosität (Zähigkeit, Fließfähigkeit) des LC-Materials, kurzzeitige Überspannung am Beginn der Ansteuerungsphase, um die Umorientierung der Flüssigkristalle zu beschleunigen, oder die mathematische Kompensa­tion des sehbedingten Integrationseffekts. Hier hat jeder Hersteller ein Arsenal von sorgfältig gehüteten Verfahren, die auf umfangreichen Forschungen über die Materialien, den strukturellen Aufbau des Displays und den Gesichtssinn beruhen.

Neue Entwicklungen

Bild 15: Die Parallaxenbarriere gibt blickwinkelabhängige Ansichten auf die Displayoberfläche frei.
Bild 15: Die Parallaxenbarriere gibt blickwinkelabhängige Ansichten auf die Displayoberfläche frei.
Dual-View-Displays können je nach Blickwinkel (Parallaxe) zwei unterschiedliche visuelle Informationen abgeben. Dies Prinzip lässt sich zur Darstellung dreidimensionaler Bilder verwenden, aber eine realistischere Anwendung ist zum Beispiel der Monitor im Armaturenbrett eines Automobils, der den Fahrer mit Navigations- und Verkehrsmeldungen versorgt und den Beifahrer einen Videofilm betrachten lässt. Oder man denke an den Monitor für die Kinder auf den Rücksitzen. Er kann von einem Kind für ein Computerspiel, vom anderen zur Wiedergabe des neuesten Harry-Potter-Abenteuers genutzt werden. Auch Anwendungen in Geldautomaten, wo das Mitlesen von der Seite unerwünscht ist, profitieren von der neuen Technik. Sie basiert auf einer zweiten LC-Schicht, die über dem normalen, bildgebenden TFT-LCD liegt. Dabei fungiert diese zweite LC-Schicht als Parallaxenbarriere (Abbildung 15), die das Licht der Hintergrundbeleuchtung nach links und rechts steuert, so dass bei verschiedenen Sichtwinkeln unterschiedliche visuelle Informationen auf demselben Bildschirm angezeigt werden können.
Bild 16:  Kaum zu glauben, aber wahr: ein Display – drei Bilder (Quelle: Sharp)
Bild 16: Kaum zu glauben, aber wahr: ein Display – drei Bilder (Quelle: Sharp)
Das hinter der Parallaxenbarriere liegende TFT-LCD wird spaltenweise in Anteile für das linke und rechte Bild aufgeteilt. Beim Blick von links werden alle Anteile für das rechte Bild abgeschirmt und umgekehrt. Je nach Betrachtungswinkel erscheinen somit unterschiedliche Bildinformationen. Wird beim Dual-View-LCD für beide Betrachtungswinkel derselbe Bildinhalt bereitgestellt, ist das Display als ganz normaler Bildschirm nutzbar. Auch die alternierende Darstellung der Vollbilder aus zwei Quellen und die zugeordnete Richtungsauswahl durch eine getaktete Parallaxenbarriere ist möglich. Nach diesem Prinzip lassen sich sogar Triple-View-Displays realisieren (Abbildung 16). Doch die Anwendung des neuen Displaytyps ist bei weitem nicht auf Navigationssysteme in Fahrzeugen beschränkt. Der Home-Entertainment-Bereich erhält eine neue Dimension, in der Menschen zwei völlig unterschiedliche Programme verfolgen können und trotzdem vor ein und demselben Fernseher sitzen. Viele Multiplayer-Games gewinnen an Spannung, weil der Gegner einem nicht mehr in die Karten schauen kann wie sonst beim Split-Screen. Und auch im Business-Umfeld bietet die Technologie der Dual-View-TFT-LCDs neue Möglichkeiten. Zum Beispiel werben Bildschirme in Geschäften für unterschiedliche Angebote, je nachdem aus welcher Richtung die Kunden an dem Display vorbei­gehen. Benutzern von Laufbändern, z. B. auf Flughäfen und Messen, können beim Vorbeifahren an einem Dual- oder Triple-View-Display zwei oder drei Botschaften übermittelt werden.

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