Einführung in die digitale Signalverarbeitung Teil 2/8

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Aus ELVjournal 03/2007     0 Kommentare
 Einführung in die digitale Signalverarbeitung Teil 2/8

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Wir beschäftigen uns eingehend mit der Fourieranalyse als mathematischem Hilfsmittel, um zwischen der Zeit- und Frequenzdarstellung (Korrespondenzen) allgemeiner Signale zu wechseln. Dabei werden die wichtigsten Eigenschaften der Fouriertransformation und der Zusammenhang zwischen periodischen und nicht-periodischen Signalen beleuchtet. Mit diesem Rüstzeug können wir in die Welt der digitalen Signale eintreten.

Fourierkorrespondenzen

Bild 7: Drei elementare Fourierkorrespondenzen. Von oben: Dirac-Impuls, Sinusschwingung und Kosinusschwingung.
Bild 7: Drei elementare Fourierkorrespondenzen. Von oben: Dirac-Impuls, Sinusschwingung und Kosinusschwingung.
Abbildung 7 zeigt drei elementare Fourierkorrespondenzen, die wir uns etwas genauer anschauen wollen. Die erste nicht-periodische Zeitfunktion stellt den so genannten δ-Impuls (u. a. auch δ-Funktion, Dirac-Stoß oder δ-Distribution, Einheitsstoß genannt) dar. Er hat die Eigenschaft, nur an einer Stelle (dort, wo sein Argument null ist) mit einer unendlichen Amplitude zu existieren.

Eine solche unendlich schmale und unendlich hohe „klassische Funktion“ gibt es nicht. Der δ-Impuls ist nur als so genannte Distribution mathematisch sauber definierbar. Distributionen sind „verallgemeinerte Funktionen“, die vom französischen Mathematiker Laurent Schwartz (1915–2002) in der Mitte des vorigen Jahrhunderts theoretisch untermauert wurden (Distributionentheorie). Als Hilfsmittel finden Distributionen vielfältige Anwendungen, z. B. in der Theorie der gewöhnlichen und partiellen Differentialgleichungen, der Fourier-Analysis, der Physik oder der Elektrotechnik. Der δ-Impuls ist als Distribution über seine Ausblendeigenschaft gemäß Gleichung (22) definiert. Obwohl der δ-Impuls keine klassische Funktion ist, lässt er sich dennoch auch ohne tiefere Kenntnisse der Theorie der Distributionen äußerst fruchtbar in der Systemtheorie einsetzen.
Bild 8: Der Dirac- Impuls als Grenzübergang eines Rechteckimpulses mit der Fläche 1 (Breite ΔT x Höhe 1/ΔT) für ΔT → null
Bild 8: Der Dirac- Impuls als Grenzübergang eines Rechteckimpulses mit der Fläche 1 (Breite ΔT x Höhe 1/ΔT) für ΔT → null
Die Entstehung des δ-Impulses kann man sich als Grenzübergang eines Rechtecks der Breite ΔT und der Höhe 1/ΔT für ΔT→0 vorstellen (Abbildung 8). Je kleiner nun ΔT wird, umso schmaler, aber auch umso höher wird das Rechteck, behält also seinen Flächeninhalt 1 bei. Nach vollzogenem Grenzübergang ist der δ-Impuls unendlich schmal und unendlich hoch. Integriert man über ihn hinweg, erhält man seine Fläche zu 1. Es gilt also:

Das Spektrum des δ-Impulses hat bei allen Frequenzen die Amplitude 1. Man kann sich das auch veranschaulichen, indem man die Fouriertransformierte eines Rechteckimpulses der Breite ΔT und der Höhe 1/ΔT betrachtet. Sie ist eine si-Funktion mit den Nullstellen bei Vielfachen von 1/ΔT und einer Amplitude der Hauptkeule von 1. Je schmaler das Rechteck wird, umso weiter wandern die Nulldurchgänge vom Ursprung der Frequenzachse weg. Im Grenzübergang wird die si-Funktion zu einer Parallelen im Abstand 1 zur ω-Achse gespreizt. Mit anderen Worten: Ein unendlich kurzes Ereignis im Zeitbereich hat ein konstantes Spektrum im Frequenzbereich zur Folge. Allgemeiner formuliert: Je kürzer das Zeitereignis, umso breiter seine Entsprechung im Frequenzbereich. Dies ist nichts anderes als das Zeit-Bandbreite- Gesetz der Nachrichtentechnik. Etwas Vergleichbares können wir bei einem Schwingkreis beobachten. Ist er schmalbandig (verlustarm), wirkt eine Anregung als langsam abklingende Schwingung nach. Der breitbandige (verlustreiche) Schwingkreis schwingt dagegen nur kurz nach. Eine besonders wichtige Eigenschaft des δ-Impulses für die Beschreibung eines nachrichtentechnischen Übertragungssystems ist seine Ausblendeigenschaft.

Die Erklärung: Weil δ(t-τ) nur für das Argument τ = t ungleich null ist, lässt sich das Integral auch schreiben als:

Das Integral über den δ-Impuls ist definitionsgemäß 1, was (23) zur Identität macht und so die Gültigkeit von (22) bestätigt. Die zweite Fourierkorrespondenz in Abbildung 7 betrifft die periodische Zeitfunktion einer immerwährenden Sinusschwingung (sozusagen die Mutter aller periodischen Funktionen) mit der Frequenz ω0. Ihre Fouriertransformierte ist rein imaginär (violette Farbdarstellung) und besteht aus zwei δ-Funktionen, eine mit positivem Vorzeichen bei -ω0 und eine mit negativem Vorzeichen bei +ω0. Die dritte Fourierkorrespondenz in Abbildung 7 zeigt das Transformationspaar einer periodischen Kosinusschwingung mit der Frequenz ω0. Deren Fouriertransformierte ist rein reell (grüne Farbdarstellung) und besteht ebenfalls aus zwei δ-Funktionen, beide mit positivem Vorzeichen bei -ω0 und +ω0. Bereits jetzt erkennen wir zwei wichtige Eigenschaften der Fouriertransformation: Satz 1: Gerade Zeitfunktionen haben ein reelles, gerades Spektrum. Satz 2: Ungerade Zeitfunktionen haben ein imäginäres, ungerades Spektrum. Zeitfunktionen, die weder gerade noch ungerade sind, haben ein komplexes Spektrum, das natürlich auch weder gerade noch ungerade ist. Das folgt unmittelbar aus der Tatsache, dass sich jede Zeitfunktion in eine Summe aus einem geraden und einem ungeraden Summanden zerlegen lässt, deren Spektren sich nach Satz 1 als reell und nach Satz 2 als imaginär ergeben. Beide ergänzen sich zu einem komplexen Spektrum. Das eben Gesagte wird in Abbildung 9 beispielhaft illustriert.
Bild 9: Die Fouriertransformierte einer beliebigen, in einen geraden und einen ungeraden Anteil zerlegbaren Funktion ist wegen der Linearitätseigenschaft der Fouriertransformation gleich der Summe der Fouriertransformierten dieser Anteile. Am Beispiel der abklingenden e-Funktion (oben), ihrem geraden Anteil (Mitte) und ihrem ungeraden Anteil (unten) kann man sich das verdeutlichen.
Bild 9: Die Fouriertransformierte einer beliebigen, in einen geraden und einen ungeraden Anteil zerlegbaren Funktion ist wegen der Linearitätseigenschaft der Fouriertransformation gleich der Summe der Fouriertransformierten dieser Anteile. Am Beispiel der abklingenden e-Funktion (oben), ihrem geraden Anteil (Mitte) und ihrem ungeraden Anteil (unten) kann man sich das verdeutlichen.
Wir wollen das mathematisch nachvollziehen. Die obere Zeitfunktion in Abbildung 9 ist eine abklingende Exponentialfunktion, deren Werte für negative Zeiten (t<0) durch Multiplikation mit der so genannten Sprungfunktion u(t) (0 für t<0 und 1 für t>0) auf null gesetzt werden.

Sie hat die rechts in Abbildung 9 für a = 1 abgebildete komplexe Fouriertransformierte:

Der Realteil ist der grüne gerade, der Imaginärteil der violette ungerade Kurvenzug. Nun kann man die obere Zeitfunktion (24) auch als halbierte Summe der mittleren und unteren Zeitfunktionen in Abbildung 9 darstellen, deren jeweilige Korrespondenzen rechts stehen. Die Summe dieser Korrespondenzen muss wegen der Linearitätseigenschaft der Fouriertransformation (siehe Tabelle 1 im Teil 1) also wieder (25) ergeben. Wir prüfen das nach:

Bild 10: Der mit ω0 rotierende Einheitsdrehzeiger in der komplexen Ebene (links) hat nur eine Spektrallinie bei ω0 (rechts) als Korrespondenz im Frequenzbereich.
Bild 10: Der mit ω0 rotierende Einheitsdrehzeiger in der komplexen Ebene (links) hat nur eine Spektrallinie bei ω0 (rechts) als Korrespondenz im Frequenzbereich.
Offensichtlich führt die Zerlegung der Zeitfunktion in ihren geraden und ungeraden Anteil zu je einem achsen- und einem punktsymmetrischen Spektrum, deren Summe identisch mit dem der ursprünglichen Zeitfunktion ist. Aber Zeitfunktionen müssen nicht immer reell sein. Ein Beispiel dafür ist der komplexe Drehzeiger aus (6) bzw. seine Entsprechung als Zeitfunktion und die zugehörige Korrespondenz in Abbildung 10.

Zwei Rechenbeispiele

Wenn auch nahezu alle denkbaren Transformationspaare Korrespondenztabellen entnommen werden können, wollen wir doch wenigstens an zwei Beispielen die Fouriertransformation „von Hand“ demonstrieren.

Beispiel 1


Zuerst betrachten wir die abklingende e-Funktion entsprechend (24) nach der Definitionsgleichung (18). Noch einige Worte zum Gang der Rechnung in (27) für alle, die nicht (mehr?) ganz sattelfest beim Integrieren sind. Der Tatsache, dass es sich um eine bei t = 0 eingeschaltete abklingende e-Funktion handelt, trägt das Ersetzen der unteren Integralgrenze t = -∞ durch t = 0 Rechnung. Die Stammfunktion für t = ∞ ist null, für t = 0 ist der e-Term gleich 1 und es verbleibt das Ergebnis.

Beispiel 2


Nehmen wir an, wir wollen eine Kosinusschwingung (Abbildung 14) – eingeschaltet bei t = -Tr/2 und ausgeschaltet bei t = +Tr/2 – aus dem Zeitbereich in den Frequenzbereich transformieren. Wir setzen die Kosinusfunktion in das Integral und berücksichtigen die Ein- und Ausschaltzeitpunkte in den Integralgrenzen (28). Wir verwenden die Identitäten in (29a) und (29b), setzen Sie in (28) ein und erhalten (30).

Der Integrand besteht jetzt nur noch aus einer Summe einfacher Sinus- und Kosinusfunktionen, die summandenweise integriert wird (31). Die geraden Kosinusfunktionen heben sich nach dem Einsetzen der Integrationsgrenzen auf und es bleibt die Formel (32).
Bild 14: Hier wurde mit einer Rechteckfunktion ein Abschnitt aus einer Kosinusschwingung erzeugt, sie wurde gewissermaßen ein- und dann ausgeschaltet. Die Dirac-Impulse, die eine unendlich lange Schwingung im Frequenzbereich charakterisieren, verändern sich dadurch zu si-Funktionen.
Bild 14: Hier wurde mit einer Rechteckfunktion ein Abschnitt aus einer Kosinusschwingung erzeugt, sie wurde gewissermaßen ein- und dann ausgeschaltet. Die Dirac-Impulse, die eine unendlich lange Schwingung im Frequenzbereich charakterisieren, verändern sich dadurch zu si-Funktionen.
Damit wäre die in Abbildung 14 dargestellte Korrespondenz abgeleitet. Es folgt eine kleine Auswahl weiterer Korrespondenzen.

Sprungfunktion

Bild 11: Die Sprungfunktion ist im Bereich negativer Zeiten null und springt bei t = 0 auf den Wert 1. Durch Multiplikation mit ihr kann man periodische Zeitfunktionen „einschalten“.
Bild 11: Die Sprungfunktion ist im Bereich negativer Zeiten null und springt bei t = 0 auf den Wert 1. Durch Multiplikation mit ihr kann man periodische Zeitfunktionen „einschalten“.
Die Sprungfunktion (Abbildung 11) – auch Einheitssprung genannt – ist in Formel 33 definiert. Man sieht in Abbildung 11, dass die Fouriertransformierte des Einheitssprungs sowohl einen Real- als auch einen Imaginärteil aufweist. Differenziert man den Einheitssprung, erhält man den δ-Impuls. Bekanntlich liefert die Ableitung einer Funktion ihre Steigung, die beim Einheitssprung nur bei t = 0 unendlich und überall sonst gleich null ist. Eben das war die Definition des δ-Impulses.

Signumfunktion

Bild 12: Die Signumfunktion springt bei t = 0 von -1 auf +1. Die Multiplikation einer Sinus- oder Kosinusschwingung mit der Signumfunktion bewirkt an der Sprungstelle deren Phasendrehung um 180°.
Bild 12: Die Signumfunktion springt bei t = 0 von -1 auf +1. Die Multiplikation einer Sinus- oder Kosinusschwingung mit der Signumfunktion bewirkt an der Sprungstelle deren Phasendrehung um 180°.
Wird von einem mit 2 multiplizierten Einheitssprung 1 abgezogen, erhält man die in Abbildung 12 gezeigte und in Formel (34) dargestellte Signumfunktion sgn(t) (signum: Vorzeichen). Mit dem aus Abbildung 11 bekannten Ergebnis für den Einheitssprung ergibt sich durch summandenweise Transformation die Fourierkorrespondenz der Signumfunktion (35).

Rechteckfunktion

Von großer Wichtigkeit ist auch die Rechteckfunktion (Abbildung 13). Sie ist definiert als (36).
Bild 13: Die Rechteckfunktion kann zum Ausschneiden eines endlichen Abschnitts aus einer unendlich langen Funktion verwendet werden. Man spricht dann auch von einem „Rechteckfenster“.
Bild 13: Die Rechteckfunktion kann zum Ausschneiden eines endlichen Abschnitts aus einer unendlich langen Funktion verwendet werden. Man spricht dann auch von einem „Rechteckfenster“.

Bild 15: Hier kann man die Wirkung der Fensterbreite studieren. Je schmaler das Fenster im Zeitbereich, umso mehr „zerlaufen“ im Frequenzbereich die si-Funktionen. Je breiter das Fenster, desto mehr werden sie gestaucht.
Bild 15: Hier kann man die Wirkung der Fensterbreite studieren. Je schmaler das Fenster im Zeitbereich, umso mehr „zerlaufen“ im Frequenzbereich die si-Funktionen. Je breiter das Fenster, desto mehr werden sie gestaucht.
Auch hier werden wie bei δ(t) und sgn(t) die Funktionswerte an den Sprungstellen als Mittelwerte der rechts- und linksseitigen Grenzwerte gesetzt. Mit der Rechteckfunktion lassen sich durch Multiplikation mit einer beliebigen anderen Funktion Abschnitte aus dieser erzeugen. Man nennt dies auch „Fenstern“. Ein Beispiel für eine „gefensterte“ Funktion ist der ein- und ausgeschaltete Kosinus (Abbildung 14). Die Fensterbreite Tr hat hier natürlich nichts mit der Periodendauer der geschalteten Kosinusschwingung zu tun. Um Verwechslungen zu vermeiden, hat sie den Index r erhalten. Interessant ist eine genaue Betrachtung der aus zwei si-Funktionen um ±ω0 bestehenden Transformierten des Kosinusabschnitts. Je schmaler der Abschnitt ist, umso breiter zerfließen die si-Spektren, wobei sie sich mit zunehmender Wirkung überlagern. Im Extremfall, wenn das Rechteckfenster nur noch die Spitze des Kosinus ausschneidet, die näherungsweise als konstant 1 betrachtet werden kann, überlagern sich die si-Funktionen zu der Transformierten eines schmalen Rechtecks. Vergrößert sich dagegen die Rechteckbreite T, werden also mehr Schwingungszüge aus dem periodischen Kosinus ausgeschnitten, nähern sich die Nullstellen der si-Funktionen weiter aneinander an und ihre Amplitude steigt. Die si-Funktionen werden gewissermaßen „in die Höhe“ gestaucht. Dies ist auch anschaulich erklärbar. Schließlich steigt mit zunehmender Fensterbreite der Energieinhalt des Zeitsignals, was bei einem schmaleren Frequenzspektrum durch dessen entsprechend erhöhte Amplitude kompensiert werden muss. Im Grenzübergang eines unendlich breiten Fensters gehen sie in die zwei δ- Funktionen des periodischen Kosinus über. Abbildung 15 demonstriert dies.

Dreiecksfunktion

Bild 16: Auch die Dreiecksfunktion kann zum „Fenstern“ verwendet werden.
Bild 16: Auch die Dreiecksfunktion kann zum „Fenstern“ verwendet werden.
Als letztes Beispiel wollen wir die Dreiecksfunktion und ihr Spektrum betrachten (Abbildung 16). Die Dreiecksfunktion ist definiert als (38). Auch hier erkennen wir, dass eine stetige Verbreiterung des Dreiecks sein Spektrum immer mehr staucht und dessen Amplitude zunehmen lässt. Im entgegengesetzten Fall „zerfließt“ das Spektrum. In Teil 3 widmen wir uns noch dem Parseval’schen Theorem, um dann die Welt der digitalen Signale zu betreten.

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