In der Spur bleiben - Fahrer-Assistenzsystem Spurwarner

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Aus ELVjournal 01/2008     0 Kommentare
 In der Spur bleiben - Fahrer-Assistenzsystem Spurwarner

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Ermüdung, Unaufmerksamkeit, Ablenkung und Sekundenschlaf führen wegen des Abweichens von der Spur immer wieder zu schwersten Unfällen mit dramatischen Folgen. Moderne Fahrer-Assistenzsysteme können dabei helfen, solche Unfälle zu vermeiden. Wir zeigen den Stand der Technik bei den Automobilherstellern und stellen ein selbst nachrüstbares Spur-Assistenzsystem vor.

Immer wach

Nicht immer, und schon gar nicht im Lkw, hat man einen stets wachen und aufmerksamen Beifahrer, der Fahrfehler rechtzeitig moniert und den möglicherweise unaufmerksamen, abgelenkten oder müden Fahrer auf sich anbahnende Unfallsituationen aufmerksam macht. Eine typische Situation ist das Verlassen der Fahrbahn bzw. Fahrspur. Die daraus resultierenden Unfallfolgen sind oft verheerend – sowohl wirtschaftlich als auch gesundheitlich. Laut einer ADAC-Studie wurden 2005 immerhin 15 Prozent aller Unfälle durch ein derartiges Verlassen der Fahrbahn infolge Unaufmerksamkeit verursacht. Hand aufs Herz – die Situa tion, dass sich der Fahrbahnrand bedrohlich nähert, weil man für einen Moment unaufmerksam war, hat sicher jeder schon erlebt. Besonders nachts oder bei eintöniger Autobahnfahrt passieren hier Unfälle, aber auch bei Routinefahrten, etwa dem täglichen Weg zur Arbeit. Neben anderen Assistenzsystemen hat hier die Industrie seit einiger Zeit Lösungen parat, den Fahrer rechtzeitig zu warnen, ihn aufmerksam zu machen und gegebenenfalls sogar Lenkkorrekturen bis zu einem gewissen Maß vorzunehmen.
Bild 1: Kamerasysteme erfassen den Verlauf der Fahrbahnmarkierungen und warnen bei Verlassen der Fahrspur. (Bild: Hella KG)
Bild 1: Kamerasysteme erfassen den Verlauf der Fahrbahnmarkierungen und warnen bei Verlassen der Fahrspur. (Bild: Hella KG)
Meist basieren solche Lösungen auf Kamerasystemen, die die Fahrbahnmarkierungen erfassen (Abbildung 1). Deutliche Fahrstreifenmarkierungen sind also Voraussetzung für das Funktionieren! Ein Computersystem wertet die vorausschauend aufgenommenen Bilder aus und leitet bei der sich anbahnenden Gefahr des Verlassens der Spur entsprechende Maßnahmen ein. Die gestalten sich unterschiedlich. BMW etwa macht durch ein vibrierendes Lenkrad darauf aufmerksam, das sich anfühlt, als würde man eine der Rüttelmarkierungen überfahren, wie man sie in Straßen-Baustellen findet. Bei anderen Herstellern vibriert der Fahrersitz, machen Displaymeldungen aufmerksam oder es erfolgt, wie bei Lexus, sogar ein sanfter Eingriff in die Lenkung, um das Fahrzeug wieder in die Spur zurückzubringen.
Derartige Systeme sind bereits sowohl für Lkw und Busse (Abbildung 2) als auch für Pkw (Abbildung 3) verfügbar. Technik-Avantgardist Citroën griff, wie immer abweichend von der Masse, zu einem anderen System (Abbildung 4).
Bild 2: Die Kamera hinter der Frontscheibe tastet ständig die Fahrbahnmarkierungen ab. Die Auswertung erfolgt durch intelligente Bilderkennung (Pixelauswertung). (Bild: MAN)
Bild 2: Die Kamera hinter der Frontscheibe tastet ständig die Fahrbahnmarkierungen ab. Die Auswertung erfolgt durch intelligente Bilderkennung (Pixelauswertung). (Bild: MAN)
Bild 3: Werkssysteme in Pkw sind völlig unauffällig in einer Einheit von Rückspiegel, Blendsensor und Regensensor untergebracht. Das System kann bei Bedarf abgeschaltet werden. (Bild: Volvo)
Bild 3: Werkssysteme in Pkw sind völlig unauffällig in einer Einheit von Rückspiegel, Blendsensor und Regensensor untergebracht. Das System kann bei Bedarf abgeschaltet werden. (Bild: Volvo)
Bild 4: Beim Citroën C5 tasten Infrarot-Sensoren die Fahrbahn ab, die Warnung erfolgt durch vibrierende Sitzflanken. (Bild: Citroën)
Bild 4: Beim Citroën C5 tasten Infrarot-Sensoren die Fahrbahn ab, die Warnung erfolgt durch vibrierende Sitzflanken. (Bild: Citroën)
Beim neuen C5 tasten 6 Infrarot-Sensoren die Fahrbahn ab und erfassen so die Spurmarkierungen. Im Falle des Falles erinnert ein Vibrieren in der entsprechenden Sitzflanke den Fahrer daran, sich wieder „in die Spur” zu begeben. Für diese Technik hat sich der etwas sperrige, aber eben eindeutige Begriff „Spur-Verlassens-Warner” eingebürgert, nicht zu verwechseln mit dem Spurassistenten, der vor dem Spurwechsel warnt, wenn sich in der anderen Spur ein anderes Fahrzeug befindet. Wie immer ist die englische Bezeichnung dafür prägnanter: LDW (Lane Departure Warning) oder LGS (Lane Guard System) sind hier die gängigen Kürzel der Aufpreislisten. Und in eben denen findet man heute bei vielen Pkw- und Lkw-/ Bus-Herstellern diese Sonderausstattung, meist zu saftigen Preisen und noch lange nicht für alle Modellreihen. Wie immer geht es bei solchen Innovationen von oben los, erst ab Ende 2008 sollen die Warner auch in die „Golf-Klasse” Einzug halten.

LDW im Eigenbau

Bild 6: Der Verlauf der Spur-Warnung
Bild 6: Der Verlauf der Spur-Warnung
Bild 5: Das FAS-100-System besteht aus einer hinter der Windschutzscheibe zu installierenden Kamera und einer Auswerteeinheit mit Digitalspeicher und GPS-Empfänger. (Bild: Alan-Albrecht)
Bild 5: Das FAS-100-System besteht aus einer hinter der Windschutzscheibe zu installierenden Kamera und einer Auswerteeinheit mit Digitalspeicher und GPS-Empfänger. (Bild: Alan-Albrecht)
Für alle, die nicht so lange warten wollen, gibt es seit Kurzem eine sogar relativ preiswerte Nachrüstlösung, die in ihrer Funktionalität viele Werkslösungen weit übertrifft – das Spurwarnsystem FAS 100 von Alan-Albrecht (Abbildung 5). Für knapp 600 Euro erhält man ein digitales Kamerasystem, das weit mehr bietet als nur eine Spur-Verlassens-Warnung. Die erfolgt hier akustisch (Abbildung 6), abgestuft in mehreren Signalausgaben bis hin zur Dauerwarnung, die man garantiert nicht überhört. Wird der Blinker gesetzt, erfolgt logischerweise keine Warnung, denn hier zeigt man ja dem System, dass man die Spur absichtlich wechselt. Die Warnfunktionen werden nur oberhalb einer bestimmten Geschwindigkeit aktiviert, denn im langsamen Stadtverkehr macht es wenig Sinn, jeden Fahrstreifenwechsel zu melden. So kann man bei der Pkw-Version wählen, ob das System bei 70 oder 90 km/h aktiviert werden soll. Bei niedrigeren Geschwindigkeiten wird nicht gewarnt. Bei der Lkw-Version kann zwischen 60 und 80 km/h ausgewählt werden.

Stau- und Ampelassistent

Das System unterstützt den Fahrer auch im Stau, im Stopand- go-Verkehr und an der Ampel – entfernt sich nach einem Halt das vorausfahrende Fahrzeug, wird der Fahrer ebenfalls darauf aufmerksam gemacht. So vermeidet man das oft beobachtete Stehenbleiben etwa nach einem Halt im Stau. Der Verkehrsfluss wird dadurch gleichmäßiger, Nachfolgende müssen sich nicht erregen und durch Ausweichmanöver neue Gefahren heraufbeschwören.

Unfallrecorder eingebaut

Der Clou des Systems jedoch ist die Blackbox-Funktion. Da man ohnehin digital auswertet, lag es nahe, auch eine digitale Aufzeichnung durchzuführen. Genau dies tut das FAS 100. Auf einem Zwischen-Digitalspeicher werden, wie bei moderen Überwachungs-Videorecordern, laufend die Video bilder der Kamera, die Fahrgeschwindigkeit sowie, dank ebenfalls integriertem GPS-Empfänger, die genaue Position des Fahrzeugs aufgezeichnet. Bei einem Unfall erfolgt die Aufzeichnung der letzten 12 Sekunden vor und 6 Sekunden nach dem Unfall auf einen nicht-flüchtigen Speicher. Die Auslösung erfolgt durch einen integrierten Schocksensor, der eine plötzlich auftretende Verzögerung von mehr als 1,5 g (das entspricht einer Bremsverzögerung von ca. 15 m/sec2, also einer typischen Auffahrunfallsituation) auswertet. Dessen Daten werden ebenfalls mit zeitlichem Bezug aufgezeichnet.
Bild 7: Solche typischen Stau-Unfälle lösen immer wieder heiße Diskussionen mit den Versicherern über die Entschädigung aus. Mit einer Blackbox kann man Ursache und Wirkung einfach ermitteln.
Bild 7: Solche typischen Stau-Unfälle lösen immer wieder heiße Diskussionen mit den Versicherern über die Entschädigung aus. Mit einer Blackbox kann man Ursache und Wirkung einfach ermitteln.
Damit kann man z. B. bei einem typischen Stau-Unfall (Abbildung 7) eindeutig nachweisen, dass man bereits gestanden hat, bevor der Hintermann aufgeprallt ist und das eigene Auto auf den Vordermann geschoben hat. Wenn das System auch nicht gerichtsfest ist, da es ja sonst regelmäßig geeicht und plombiert werden müsste, geht man dennoch so manchem Ursachenstreit und eventuellen langwierigen Gutachterverfahren aus dem Wege, denn manipulierbar sind die Daten eben nicht. Jeder Richter und jede Versicherung werden sich über eine solche Fakten-Unterstützung freuen!
Bild 8: Die Blackbox-Auswertesoftware des FAS 100 lässt keine Fragen zu Unfallhergängen offen. (Bild: Alan-Albrecht)
Bild 8: Die Blackbox-Auswertesoftware des FAS 100 lässt keine Fragen zu Unfallhergängen offen. (Bild: Alan-Albrecht)
Die Auswertung wird möglich über die mitgelieferte Software (Abbildung 8). Hier sind alle aufgezeichneten Daten übersichtlich visualisiert, das Geschehen kann wie bei einem Videorecorder Schritt für Schritt abgespielt werden. In der Mitte sieht man das Live-Videobild, darunter die aktuelle Geschwindigkeit, die im Übrigen genauer angezeigt wird als vom Fahrzeugtacho, da sie aus dem GPS-Signal abgeleitet wird. Die GPS-Daten sind rechts zu sehen, über diese Angaben kann man die Position sehr genau rekonstruieren, ebenso werden hieraus genaue Zeit- und Geschwindigkeitsdaten hergeleitet. Links erfolgt, grafisch als übersichtliche Kurve aufbereitet, die Anzeige des Verlaufs der Aufprallbeschleunigung, bezogen auf die Zeitachse. Darunter ist im gleichen Bezug der Verlauf der Geschwindigkeit während der Aufzeichnungszeit zu sehen. All diese Daten machen eine exakte Auswertung einer Unfallsituation möglich. Im Übrigen kann das Gerät bis zu drei solcher komplexen Situationen abspeichern. Bei jeder erfolgten Aufnahme wird eine Sprachmeldung ausgegeben.

Einfache Installation

Die Installation ist einfacher, als man zunächst annehmen mag. Einzig die Anbindung der Blinker an das Gerät (hierzu wird ein spezielles Kabel mitgeliefert) erfordert Grundkenntnisse der Fahrzeugelektrik und das Wissen, wo man die Blinkersignale im eigenen Fahrzeug abnehmen kann. Diesen Einbauschritt kann man auch der Fachwerkstatt überlassen, ambitionierte Fahrer bewältigen ihn anhand der mitgelieferten Anleitung auch allein. Es ist lediglich die Kamera in einer bestimmten Position hinter die Windschutzscheibe zu kleben und auszurichten, die Steuereinheit mit dem integrierten GPS-Empfänger auf dem Armaturenbrett hinter der Frontscheibe in einer Klemmhalterung zu platzieren und das Ganze an das Bordnetz anzuschließen. Dazu kommt noch die erwähnte Blinkerkabel- Montage – fertig! Besondere Sorgfalt ist lediglich der exakten Kameraausrichtung zu widmen, damit auch wirklich eine exakte Erfassung erfolgen kann.
Im Falle, dass das Auslesen der Daten erforderlich ist, nimmt man die Steuereinheit aus dem Wagen bzw. transportiert einen tragbaren Rechner dahin und verbindet Rechner und Steuereinheit über das mitgelieferte Datenkabel. Das Auslesen ist so einfach wie das einer Digitalkamera-Speicherkarte. So installiert, haben Viel-, Berufs-, Nachtfahrer und immer gleiche ermüdende Strecken fahrende Pendler fortan einen zuverlässigen Beifahrer, der sogar im Falle eines unverschuldeten Unfalls weit mehr als seinen Anschaffungspreis einspielt. Allerdings muss abschließend auch gesagt werden, dass Fahrer-Assistenzsysteme wie dieses nicht die eigene Kontrolle über das Fahrzeug ersetzen. So, wie viele Fahrer mit Einführung des ABS und ESP im Bewusstsein, dass die Technik ja hilft, schneller und sorgloser gefahren sind, um nach dem Crash zu konstatieren, dass physikalische Grenzen nach wie vor gelten, ist der Fahrer auch im Falle der mitlaufenden Spur-Verlassens- Warnung nicht von seiner Verantwortung für die Fahrzeugführung befreit.

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